Der
Golfkrieg ist vorbei, aber das gewaltsame Sterben im Irak nimmt kein Ende. Dem
blutrünstigen Diktator aus Bagdad reichen die toten Landsleute zweier
verlorener Kriege, die ausgerotteten Kurden und die ermordeten Oppositionellen
seiner Herscherzeit nicht. Er tötet lustvoll weiter.
Der
Sieg der verbündeten Streitmacht am Golf hat bewiesen, daß die Vernunft der
Menschheit so weit gediehen ist, um internationales Recht geltend zu machen. Ein
Schritt, der fürwahr als Meilenstein auf dem Weg zu einer erdumfassenden
Menschengesellschaft mit gleichem Recht, bei Berücksichtigung der geographisch,
religiös und national bedingten Eigenarten, gelten kann, ist damit getan. Die
UNO-Resolutionen und ihre konsequenten Durchführungen haben das Vertrauen in
die existierende Staatsordnung gestärkt. Grenzen sollen, ja müssen unantastbar
bleiben. Annexionen und andere gewaltsam vorgenommene Territoriumsaufteilungen
sollen endgültig dem Arbeitsbereich der Historiker angehören.
Zu
schön um wahr zu sein, muß man bei diesen Betrachtungen wohl sagen, denn wie
alle Problembereiche hat auch dieser sein Dilemma. Stehen die Völker, die
überall in der Welt für den Austritt aus großen Staatenbündnissen
(Sowjetunion, Jugoslawien, Nordirland) kämpfen, nicht im Widerspruch zu diesem
erstrebenswerten Grenzenstillstand?
Hier
liegt der zweite, viel größere Meilenstein, den die Menschheit im ewigen
Zivilisationsprozess aus dem Weg zu räumen hat. Besonders bei
Nationalitätenkonflikten wird die Vernunft von Emotionen sehr schnell
verdrängt. Die Folge davon sind immer Tote. In der Regel sterben unschuldige
Menschen, während die Schürer der Gewaltleidenschaften in unantastbarem
Hintergrund bleiben. Wenn man bedenkt, dass die UNO-Resolutionen zur Golfkrise
nur zustande kamen, weil das politische Klima zwischen den Großmächten gerade
milde ist und die innere Sicherheit keiner der beiden Mächte durch die Lage am
Golf gefährdet war, so kann man kaum glauben, daß es so bald eine
internationale Rechtsauffassung über die Unabhängigkeitsrechte vieler
einverleibter Staaten und Völker geben wird. In der Sowjetunion müssen sich
zuerst grundlegende Auffassungen zu diesem Themenkomplex ändern. Das ist ein
sehr schwieriger Schritt, weil er viele Verzichte und Kompromisse beinhaltet.
Aber, trotz der Toten, die die Freiheitskämpfe noch fordern, muß man
feststellen, daß sich die Bemühungen, dieses Problem auf dem Verhandlungsweg
zu lösen, intensivieren. Es werden noch viele Generationen von dieser
Problematik betroffen sein. Die Erkenntnis, daß Gewaltverzicht immer in der
Ziellinie liegt, muß auf jeden Fall ein Basisstein in der friedlichen
Entlassung der Völker in die Unabhängigkeit werden.
Ein
weiterer Fundamentstein eines währenden, als natürlich und absolut empfundenen
Weltfriedens muß die Garantie des individuellen Menschenrechts auf Demokratie
sein. Es gibt viele Saddam Husseins, die, von der Weltöffentlichkeit ignoriert,
ihre Völker mit Gewaltherrschaft terrorisieren. Internationales Recht über
nationales (Gewalt)recht stellen, wird eine schwierige Aufgabe der
friedliebenden Staatengemeinschaft sein. Die von allen Diktatoren angepriesene Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten wird auch zur Zeit nicht nur vom
irakischen Regime voll ausgenützt, um Andersdenkende gnadenlos zu vernichten.
Hier müssen internationale Bestimmungen her, die dem sinnlosen Morden in einem
Land Einhalt gebieten können. Freilich werden sich auch hier sowjetische,
chinesische und andere Machthaber der asiatischen, afrikanischen und
südamerikanischen Länder schwertun. Den nötigen Motivationsschub könnten sie
jeweils aus dem eigenen Volk bekommen, denn das Einsehen und Nachgeben scheint,
gemessen an den Ereignissen in Osteuropa, kein Tabuthema für absolutistisch
regierende Staatsmänner mehr zu sein.
Vor
den friedliebenden Völkern und ihren Repräsentanten bei der UNO liegt ein
weiter Verhandlungsgang. Auch wenn das Ende der Straße zum Weltfrieden noch
nicht sichtbar ist, sollten sie ihre Bemühungen, es zu erreichen, nie
abschwächen, kämpfen sie doch für die höchsten Ideale, die dem Menschen
erstrebsam erscheinen. Sie sollten dabei nie aus den Augen verlieren, daß die
Vernunft eine, zwar langsam, aber stetig reifende Frucht ist. Von dieser Frucht
kostend, wird die Schar der sich nach ewigem Frieden sehnenden Völker
unaufhörlich größer.
Die
Zeit der "Heiligen Krieger" geht ihrem Ende zu.
Mark
Jahr
aus DER DONAUSCHWABE, Aalen, 21. April 1991
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