Dienstag, 1. Oktober 2024

Mit Musik durch ein halbes Jahrhundert

 Der Jahrmarkter Michael Tritz spielt seit 50 Jahren Flügelhorn und Trompete

Fragt man nach den wohl bekanntesten Jahrmarkter Familiennamen aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, so wird man mit großer Wahrscheinlichkeit die Namen der Musikerfamilien Kaszner und Loris hören. Im Zusammenhang mit diesen zwei Namen fällt aber in Gesprächen von gebürtigen Jahrmarktern auch oft der Name Tritz.
Umso erstaunter war ich, dass dieser Name in keiner der acht NBZ-Folgen Gruß aus Jahrmarkt – Namen, Jahreszahlen und Ereignisse in der 70-jährigen Geschichte der Loris-Kapelle von Prof. Hans Speck aus dem Jahre 1978 zu finden ist. Das könnte daran liegen, dass Michael Tritz zu keinem der Jahrgangsschübe junger Burschen gehörte, die in Jahrmarkt immer wieder die Reihen der Blaskapellen verjüngten.
Konzertmeister Michael Tritz (vorne)
und die Loris-Kapelle
Am 24. Februar 1950 meldete sich ein 12-jähriger Junge beim damals immerhin schon 74 Jahre alten Kapellmeister Peter Loris. Flügelhorn wollte er lernen. Ein wohl gelungener Start in ein ereignis- und erfolgreiches Musikantenleben, kann man heute mit Fug und Recht behaupten. Michael Tritz war wohl der letzte Schüler des Jahrmarkter Musikkapellen-Gründers Peter Loris (verstorben 1952), entwickelte sich aber schnell zum ersten Flügelhornisten der Loris-Kapelle. Dass die Besetzung dieses ersten Pultes ( so eine Art Konzertmeisterpult) schon von besonderen Bläserqualitäten abhängen musste, wird klar, wenn man sich einige Stücke aus dem Repertoire dieser Blaskapelle ansieht: Die Nachtschwärmer von Carl Michael Ziehrer, Crai nou von Ciprian Porumbescu, Semper Fidelis von John Philip Sousa u. v. a.
In einem bewegten Banater Musikantenleben gibt es natürlich eine Reihe von Stationen. Bei Michael Tritz liest sich diese Reihenfolge so: Loris-Kapelle (1950 bis 1957), Kaszner-Kapelle (1957 bis 1959), Loris-Kapelle (1959 bis 1979), Guban-Jazz-Band in Temeswar (1964 bis 1970), Original Donauschwaben in München (1979 bis 1989) und ab 1989 Original Jahrmarkter Musikanten in München. Dazu gesellt sich natürlich eine lange Liste von Aushilfsgeschäften in vielen Banater Dorfkapellen.
Der gelernte Elektriker arbeitete bei UTT (Uzinele Textile Timișoara) und war immer bestrebt, sich in seiner Freizeit weiterzubilden. Von 1962 bis 1964 besuchte er die Școala de Artă Populară in Temeswar und lernte viel von seinen Lehrern Bruckner und Covăsala. Das brachte ihm sogar ein Angebot der Kronstädter Philharmonie ein.
Wer nun glaubt, ein ereignisreiches Musikantenleben wäre nach fünfzig Jahren Blas- und Unterhaltungsmusik (Michael Tritz war in Jahrmarkt auch ein beliebter Sänger) beendet, der irrt sich gewaltig. Der seit zwei Jahren in Dachau im Rentnerstand lebende Michael Tritz denkt überhaupt nicht daran, Flügelhorn und Trompete an den sprichwörtlichen Nagel zu hängen. Die Ammertaler, Harer, Forstenrieder, Erdinger und Siebenbürger Musikanten werden sich über diese Unermüdlichkeit bestimmt freuen.
Was würde Michael Tritz auf die Frage nach seinem bemerkenswertesten Musikanten-Erlebnis wohl antworten? Vielleicht dieses oder jenes Konzert (in Jahrmarkt waren das die berühmten Musikantenbälle in der Faschingszeit), eine Hochzeit, eine Doppelkerweih (Johrmarker Spezialität) erwähnen? Oder war es gar das Feuer-Blasen, als 1958 die Dorfmühle brannte und der Feuerwehr-Alarm-Hornist Michael Tritz hieß? Er wird es wissen und sich in diesen Tagen – bestimmt auch mit Wehmut – an so manche Stunde mehr oder weniger erbaulichen Musizierens erinnern.

Anton Potche

aus BANATER POST, München, 5. März 2000

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