Temesvár,
18. Jänner
Ein
thatenreiches, verdienstvolles Leben
hat heute Nacht seinen Abschluß gefunden. Der Senior des Temeser
Komitatsausschusses, der Gründer und langjährige verdienstvolle
Präsident des Temeser landw. Vereins, der Begründer des ungarischen
Imkervereines, der eifrigste Förderer des Rothe-Kreuz Vereines, der
Direktionspräsident der Kommerzial= und landw. Bank, der langjährige
Oberkurator des evangelischen Kirchendistriktes, der Temeser
Großgrundbesitzer Baron Béla Ambrózy ist
heute Nachts nach kurzem Leiden verschieden. Zum
letzten Male tauchte seine markante Gestalt in Temesvár am 7. Jänner
anläßlich des Balles des Rote=Kreuz=Vereines auf, an dessen
Gelingen Baron Béla
Ambrózy einen großen
Antheil gehabt. Es scheint, dass der greise Gutsbesitzer sich damals
den Keim des Todes geholt; eine Influenza fesselte ihn an‘s Bett,
welches er nicht mehr
verlassen sollte.
„Was
ich als schlichter, einfacher, mit dem Bauernstande fühlender Mann
geleistet, war kein Verdienst, sondern nur meine Pflicht.“ In
diesen Worten, mit denen Baron Béla Ambrózy
vor drei Jahren der Gyarmathaer Gemeinderepräsentanz für seine
damalige Wahl zum Ehrenbürger der Gemeinde gedankt hatte, prägt
sich der ganze Charakter dieses echten Musterbildes des ungarischen
Adels aus. Schlicht und einfach, leutselig in seinem Verkehre war
Baron Béla Ambrózy
Zeit seines langen Lebens der unermüdliche, rastlose Vertreter der
Arbeit. Er liebte und ehrte
die Arbeit in allen Formen und Bekundungen und haßte bloß den
Müßiggang. Er achtete den Arbeiter, mochte er welchem Stande immer
angehören und verachtete bloß die Faulenzer, mochten sie noch so
hoch stehen. Durchdrungen vom lautersten Pflichtgefühl, forderte er
von den Vertretern seines Standes und vor allem von seinen
Familienangehörigen, denen er als Musterbild vorangeleuchtet, mit
unerbittlicher Strenge, die Erfüllung ihrer Pflichten für Familie,
Kommune und Vaterland.
Baron
Béla Ambrózy
gehörte zu den wenigen „Agrariern“, die sich auch der Bedeutung
und des Werthes der übrigen Erwerbsstände bewußt sind. Mit
ganzer Liebe und unendlicher Hingebung hing er an seinem Berufe, als
Landwirth war er Zeit seines Lebens bestrebt, die Lage des
südungarischen Landwirthestandes zu bessern und zu heben und
zahlreiche landwirtschaftliche Initiativen verdanken seinen
Bemühungen, daß sie zu Fleisch und Blut wurden. Wie hoch er aber
auch den Handel als wichtigen, unentbehrlichen, wirthschaftlichen
Faktor hochschätzte, beweist seine Thätigkeit in der Temesvárer
Lloydgesellschaft und bei
der Kommerzial= und Landw. Bank. Mit großer Liebe hing er auch an
seiner Gemeinde Gyarmatha, deren Insassen Jung und Alt, Vornehm und
Gering, mit inniger Liebe an dem Patriarchen, dem Vater der Gemeinde
hingen.
Durchdrungen
von der heißesten Vaterlandsliebe hat sich Baron Béla
Ambrózy in früheren Jahren
auch als Reichstagsabgeordneter am öffentlichen Leben
Ungarns betheiligt. Der
Politiker Ambrózy
war eine unentwegte feste Stütze des Liberalismus, ein unentwegter
Anhänger des genialen Werkes Franz Deáks:
des Ausgleiches. Hierführ
setzte er seine ganze Begabung, sein ganzes Wissen, seine umfassenden
Erfahrungen ein. Dabei war er aber auch tolerant für jede
abweichende Meinung.
Die
Toleranz bildete überhaupt
einen der schönsten Charakterzüge dieses Edelmannes. Der
evangelischen Kirche als überzeugungstreuer, hingebungsvoller Sohn
angehörend, war er der wirksame Förderer der seinem Patronate
unterstehenden katholischen Kirchengemeinde Gyarmatha‘s, welche
seiner opferwilligen Freigebigkeit gar manche Erfolge verdankt.
Herablassend, gütig gegen seine Untergebenen, helfend und berathend
gegenüber seinen Mitmenschen war
Baron Béla Ambrózy
stets das Musterbild des ungarischen Kavaliers, der sein ganzes
Können dem öffentlichen Leben, der Förderung seines Komitates und
seines Vaterlandes widmete.
Ein
thatenreiches Leben hat nun seinen Abschluß gefunden. An der Bahre
des im Alter von 73 Jahren verschiedenen Patriarchen trauert seine
Gemeinde Gyarmatha, die Sozietät Temesvárs und des Temeser
Komitates.
Die
Erde sei ihm leicht!
*
* *
Der Lebenslauf Ambrózys.
[…]
Ambrózy
und das evangel. Senoriat.
[…]
Ambrózy
und die Temesvárer Vereine.
[…]
Die
letzten Stunden.
[…]
Die
Familienangehörigen.
[…]
Die
Todesnachricht in Temesvár.
[…]
Die
Trauerkundgebungen.
[…]
Die
Aufbahrung.
Der
Leichnam des verewigten Barons wurde im großen Saale des
Familienkastells in Temesgyarmatha […] aufgebahrt.
[…]
Baron
Ambrózy wurde in der Uniform eines Hußaren-Rittmeisters in
den Sarkophag gebettet.
[…]
Vorbereitungen zum Begräbnis.
[…]
Vom Militär wird zum Begräbnisse ein Ehrenkondukt beigestellt. Es
wird eine Kompagnie des 61. Infanterie-Regiments unter dem Kommando
des Hauptmanns Abraham mit der Musikkapelle
zu diesem Behufe nach Temesgyarmatha abgehen.
Das
Testament.
[…]
aus TEMESVÁRER ZEITUNG, Temesvár, 19. Jänner 1911
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