Renate Schmidt |
Irgendwann aber hält auch der letzte verträumte Betrachter
zwischen den Stellwänden inne und lauscht der eben erklingenden Frauenstimme.
Frau Renate Schmidt
spricht. Wirklich gewählte Sätze. Für eine Spitzenpolitikerin nichts
Außergewöhnliches. Aber diese Eindringlichkeit, diese ganz persönlichen
Bezugspunkte zu den einstigen Deutschen in Rumänien und heutigen
Aussiedlern in Deutschland lassen Pulse schneller schlagen. Da läuft
einem ein angenehmer Schauer über den Rücken. Frau Schmidt
wünscht sich Jugendliche in Trachten, wie sie die Banater
Trachtengruppen in der Königstraße erlebt hat, und nicht in Uniform -
sie meint wohl Leder und Kahlköpfe -, wie sie, wie wir sie allzu oft in
letzter Zeit erleben mußten. Und dann wünscht sie sich diese
Uniformierten doch herbei, hierher zwischen die Bilder von Banater
Künstlern, weil sie fast prophetisch an die Brückenfunktion dieser Kunst
glaubt. Die Macht der Kunst könnte gelegentlich für die Ohnmacht der
Politik in die Bresche springen und den so nötigen Brückenkopf zu den
schier Unverbesserlichen schlagen. Auch den im Alten Rathaus
ausgestellten Werken der Künstler, die zum Teil Heimat aufgegeben haben,
um Heimat zu finden, traut Renate Schmidt (Foto) das zu. Diese
Worte klingen ehrlich. Sie passen zu den Bildern und Menschen dieser
Vernissage. Alle fühlen das.
Unserem Banater Schwaben gehen noch am späten Abend des 19. Juni 1993 die Worte
dieser Frau durch den Kopf. Er ist irgendwo auf der Autobahn und denkt an das
rasante Tempo unserer Zeit. Gestern Gegenwart, heute bereits Geschichte. Gestern
Beklemmung zeugende Lafontaine-Sprüche, heute eine bemerkenswerte Rede Renate
Schmidts. SPD: rot bleibt rot. Das können wir wohl nie schwarz sehen, aber
gerade SPD-Persönlichkeiten können durch ihr öffentlich kund getanes, von Wissen
und Verständnis zeugendes Denken so manche beklemmende Vorurteile abschwächen
und zu Erkenntnissen führen, die durchaus auch dazu angetan sein könnten,
Zukunftsängste aus unserem tiefsten Innern zu verdrängen.
Die Worte der bayerischen SPD-Vorsitzenden und Vizepräsidentin des Deutschen
Bundestages Renate Schmidt beinhalten die Kraft, uns Querschlägereien von
Parteikollegen (zumindest bis zum nächsten Wahljahr) vergessen zu lassen.
Anton Potche
aus BANATER POST, München,
10. Juli 1993
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