Die Großgemeinde vor
Temeswar bereitet sich auf die Kerwei vor
von Walter Jass
Im Sonnenschein glänzt und strahlt
Jahrmarkt noch mehr: Die Gemeinde, von der man so gerne sagt, dass sie "vor den
Toren Temeswars" liegt, ist blitzblank, sauber, gepflegt und es ist eine Freude,
hier spazieren zu gehen oder mit dem Wagen auf der guten Straße zu fahren, die
sie durchzieht und hineinführt in die Banater Hecke. Sauberkeit in Banater
Dörfern - das ist ja keine Seltenheit, aber Jahrmarkt scheint diesbezüglich doch
einiges vor den anderen haben zu wollen.
Warum und wieso? Kulturheimdirektor
Prof. Hans Speck erklärt das so: "Einmal sauber machen im Jahr ist in
Jahrmarkt keinmal sauber machen im Jahr. Wir machen es gleich dreimal: im
Frühjahr, zur Kerwei, die in Jahrmarkt zeitiger als anderswo gefeiert wird, und
zwar Anfang Juni, und dann im Herbst."
"Net gut for nufschaue
..."
Auch wenn da ein bisschen
Lokalpatriotismus mitspricht, weil dieses dreifache Reinemachen auch in anderen
Banater Dörfern nach wie vor gepflegt wird, ist Jahrmarkt doch eine Ausnahme,
weil durch die Kerwei Anfang Juni das Jahr in fast gleich lange Spannen
aufgeteilt wird. Die Gemeinde sieht so während des ganzen Jahres wie aus der
Schachtel aus.
Das ist auch jetzt so. Die Jahrmarkter
beginnen jetzt wieder mit den Arbeiten. "Worauf gibt der Schwob viel bei diesen
Arbeiten?" meint Prof. Speck. "Auf das Haus 'frisch streiche', und dann
ist das 'Torstreiche' eine Jahrmarkter Spezialität. Wenn man ein Haustor
zersägen würde, könnte man nach den Farbschichten sein Alter bestimmen, ähnlich
wie bei den Jahresringen eines Baums."
Für die Farbe wird vorgesorgt. In den
Wochen vor der Kerwei findet man in der Konsumgenossenschaft der Großgemeinde
täglich bis zu 20 Frauen, die hier Farbe kaufen wollen. Ob es nun ein Holztor
oder - moderner schon - ein Eisentor ist, die Farbe darf nur hellgrün sein.
"Nicht so grasgrün oder dunkelgrün, wie man es manchmal in anderen Gemeinden
findet." Und das trägt auch zum Eindruck des Blitzsauberen bei: das Hellgrün der
Tore, der weiße Verputz der Häuser und die hellgelbe Farbe der Haus- und
Giebelverzierungen.
Das "frisch streiche" ist eine Sache
der Frauen. "Das mache nur die Weiber", heißt es. Aber nicht ausschließlich: Der
Giebel, den zu streichen oder zu weißeln, man auf die "hohe Leiter" steigen
muss, wird von den Männern in Ordnung gebracht, nach alter "Sitte un Gebraich",
wie es Vetter Sepp Wendling sagt, der im April 85 Jahre alt wurde. Und er
begründet es auch: "Es is net gut for nufschaue, wenn do des Weib uf der Leiter
steht". Die Frau tut unten nur den "Pensel tunke", dann reicht sie ihn (den
Pinsel) hinauf.
"Vor allem diejenigen, die mit der
Kerwei etwas zu tun haben, sind jetzt in Schwung. Obwohl es in Jahrmarkt 25 - 30
Zimmermaler gibt, ist es jetzt eine Kunst, einen zu finden, nicht für die
Außenarbeiten am Haus, also das "Streiche", sondern für das "Ausmole", das
Malen. Auch wenn nicht die ganze Wohnung gemalt wird, muss zumindest die Veranda
oder der Gang wie neu aussehen.
Niemand will zurückstehen
Es gibt mehrere Gründe dafür: Erstens
ist das Malen weniger für die Kerweigäste bestimmt als für die "Kerweibuwe", die
in die Häuser kommen, wo es Mädel gibt, "große Mädle", wie man das schwäbisch
sagt. Und dann, erklärt Kulturheimdirektor Speck, "han die Johrmarker
Geld". Da will niemand zurückstehen, das soll man am Haus sehen, denn sonst
"lache uns die Nochperschleit aus". Die Angst davor ist manchmal der Hauptgrund
für all die Anstrengungen. Schließlich gibt es noch den in den letzten Jahren
ständig zunehmenden Umbau oder Neubau der Häuserfronten. Dabei gibt es, wie man
im Dorf sagt, eine Konkurrenz wie zwischen den zwei
Blaskapellen der Ortschaft. Bei diesen Instandhaltungs- oder
Umbauarbeiten machen in der Bauleute- und Zimmermalergemeinde Jahrmarkt meist 5
- 6 Freunde oder Bekannte mit. "Es geht scheen zu", sagt man, und das bedeutet
im Banat, dass Gaumen und Kehle nicht zu kurz kommen.
"Scheen zu" geht es auch, wenn die
Kerweijugend den Gemeindepark am Prinz-Eugen-Brunnen pflegt, die Bäume, meist
Kugelakazien, schneidet, die Stämme weißt, die Wege instand setzt. Jeder aus der
Kerweijugend macht da mit, "die hab ich fest in der Hand", sagt Prof. Hans
Speck. Zur Kerwei, die bald stattfindet, dürfte das wieder der Fall sein.
Man erwartet 45 - 50 Paare, wie auch
in den letzten Jahren. Sie werden heuer auf einer betonierten Fläche im
Kulturheimhof einmarschieren. Die Betonierung des Hofs gehört, wie der
Stellvertretende Bürgermeister Josef Wagner mitteilt, zu einer großen
Reihe von kommunalwirtschaftlichen Vorhaben, die im Laufe dieses Jahres in
Jahrmarkt durchgeführt werden sollen. Zwei Tiefbrunnen werden gebohrt, das
Leitungsnetz um 1,5 km erweitert, eine Freilichtbühne und ein Sommerkino sollen
errichtet werden.
aus NEUER WEG, Bukarest,
25. Mai 1979
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen