Freitag, 19. April 2013

Cighid war nur die Spitze


Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) hat sich gleich nach der rumänischen Revolution 1989 für humanitäre Hilfe in Rumänien eingesetzt. Die Mitgliederzeitschrift echo des BRK hat im vergangenen Jahr mehrere Berichte über gezielte BRK-Hilfen in Rumänien veröffentlicht.
Jetzt, fast anderthalb Jahre nach der "Wende" in Rumänien, entwickelt das BRK besonders Aktivitäten im Bereich der Waisenbetreuung. echo schildert in seiner April-Ausgabe 1991 von einer Initiative des Neutraublinger Kinderarztes Dr. Michael Drescher, der drei schwerbehinderte rumänische Kinder im Alter von 10, 12 und 13 Jahren in die Orthopädische Klinik des BRK in Lindenlohe brachte, wo sie erfolgreich operiert wurden. Dr. Drescher hatte die Kinder "in einem jener berüchtigten Waisenhäuser entdeckt". Die armen Geschöpfe waren "abgeschoben, vergessen, geistig zurückgeblieben, sprechunfähig und körperlich mißgebildet, ohne Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben". Weiter heißt es in dem Bericht, daß die Mütter der drei Kinder, "nach denen das BRK suchte, fast dankbar und erleichtert eine Verzichtserklärung unterschrieben haben, die Väter sind gänzlich unbekannt".
Diese wenig erfreulichen Nachrichten über das Schicksal des ungeheuerlichsten aller kommunistischen Hinterlassenschaften, der Waisenkinder in Rumänien, wurden auch von Staatssekretärin Barbara Stamm in einem Interview des Bayerischen Rundfunks vom 24. April 1991 bestätigt. Die Politikerin hat sich die Lage einiger rumänischer Waisenhäuser vor Ort angesehen. Besonders die hygienischen und sanitären Anlagen sind in vielen Heimen noch sehr dürftig. Frau Stamm: "Die hygienischen Verhältnisse sind zum Teil dermaßen schlecht, daß die Kinder unweigerlich Ansteckungskrankheiten bekommen müssen. Wir waren zum Beispiel in einem Heim, da haben über 80 Prozent der Kinder Hepatitis. Das Haus ist unter Quarantäne."
Die Staatssekretärin plädierte für gezielte Hilfen. Das "Gießkannenprinzip" sei nicht hilfreich. Es sei aus humaner Sicht bestimmt richtig, Kinder aus solchen Heimen zu adoptieren, denn "es sind ja nach wie vor Niemandskinder", unter ihnen auch viele Säuglinge (also nach Ceauşescu geboren?!). Die Adoptionsstelle beim Bayerischen Jugendamt in München schafft in Zusammenarbeit mit den zuständigen rumänischen Behörden die erforderlichen Voraussetzungen für eine gewünschte Adoption.
Weil die eingeleiteten Hilfsmaßnahmen in Păstrăveni, Arad und Lippa langfristig angelegt sind und weil viel Geld zur Sanierung der Heime erforderlich ist, ist die Initiativgruppe um Frau Barbara Stamm auf Spenden aus der Bevölkerung angewiesen. Wer den vielen namenlosen und ungeliebten Kindern in Rumänien helfen will, kann auf das Konto Nr. 24444 bei der Bayerischen Landesbank München seine Spende überweisen.
Der rumänische Tennismanager Ion Ţiriac hat sich auch bereits vorbildlich für die Waisenkinder in Rumänien eingesetzt. In der oben erwähnten Sendung des Bayerischen Rundfunks wurde mitgeteilt, daß er allein für rumänische Waisenhäuser 250 Millionen DM Spenden gesammelt hat. Seinen eigenen Spendenbeitrag wollte er auf Reporteranfrage nicht nennen.
Es wurde in den letzten Monaten immer deutlicher, daß das weltweit beachtete Drama von Cighid nur die Spitze eines Eisberges von unvorstellbarer Unmenschlichkeit war. Das Trauma der Ceauşescu-Diktatur ist noch lange nicht überwunden.
Anton Potche

aus BANATER POST, München, 5. Juni 1991

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