Mittwoch, 5. Dezember 2012

Rumäniendeutscher "Verhandlungsschwerpunkt"


Es war selbstverständlich nur eine Frage der Zeit, wann eine rumänische Delegation mit ihren Hilferufen in Bonn aufkreuzen würde. Man durfte gespannt sein, wer diese hochrangige Regierungsdelegation leiten werde. Nun weiß man es, und man muß den Rumänen zugestehen, daß sie den richtigen Mann (entsprechend dem zur Zeit in Bukarest verfügbaren Politikeraufgebot) geschickt haben. Rumäniens Präsident Ion Iliescu ist mit seiner Vergangenheit zu sehr belastet. Der Westen hat nicht vergessen, daß er einst als Ceauşescus Nachfolger  gehandelt wurde und unter dem Diktator schon hohe Parteiämter begleitete. Die Juni-Ereignisse in Bukarest haben dem Image des Präsidenten  einen neuen Makel verpaßt.
Petre Roman, der rumänische Ministerpräsident, scheint auf der internationalen Politbühne eine bessere Figur als sein Präsident abzugeben. Besonders für den Bittstellergang nach Bonn schien er sich schon darum gut zu eignen, weil er es seit seinem Erscheinen in der rumänischen Führungsspitze stets verstanden hat, seine angeblichen Demokratisierungsbestrebungen effektvoll in Szene zu setzen. Die immer wieder auftauchenden Gerüchte über Meinungsverschiedenheiten zwischen den zwei starken Männern Rumäniens sind ein beredtes Beispiel dafür. Für Romans Bonnreise spricht auch sein Alter (oder seine Jugend), kann man ihm doch nicht mehr vorhalten, einer Generation anzugehören, die die Deportation der Deutschen aus Rumänien geduldet oder teilweise sogar begrüßt hat.
Daß eben diese Rumäniendeutschen wieder für eine politische Szenerie als Statisten herhalten sollen, war bei diesem Besuch zu erwarten. Schon immer, wenn es um die deutsch-rumänischen Wirtschaftsbeziehungen (sprich Wirtschaftshilfe in Richtung Osten) ging, wurde die deutsche Volksgruppe von den rumänischen Kommunisten als Erpressungsmittel mißbraucht. Auch diesmal spielten sie eine gewichtige Rolle in den Verhandlungen. Um der deutschen Regierung die rumänischen Anliegen schmackhaft zu machen, erklärte Roman, daß man sich in Bukarest die Rückkehr der ausgesiedelten Deutschen wünsche. Rumänien sei "offen dafür, einen Vertrag über die deutsche Minderheit auszuarbeiten und zu verwirklichen ".
Nun scheint man in Bonn aber vorsichtshalber nicht zu übersehen, daß Roman, trotz seines politisch geschickten Taktierens, doch noch den Ruf des geläuterten Neokommunisten im Gepäck mitführt. Man tut gewiß gut daran, Vorsicht walten zu lassen und erst mal eine deutsche Expertengruppe nach Rumänien zu schicken, um das Terrain zu sondieren. Einen Vertrag über die deutsche Minderheit sollte man keinesfalls überbewerten. Er wäre natürlich auch heute noch sinnvoll. Doch sollte man nicht übersehen, daß die noch gebliebenen Deutschen kaum in der Lage sind, ein geschlossenes Gemeinschaftsleben aufrechtzuerhalten.
Der damalige Bundesaußenminister Willy Brandt sagte am 30. Januar 1967 anläßlich seiner Tischrede zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Republik Rumänien in Anwesenheit des rumänischen Außenministers Corneliu Mănescu: "Einst wirkten deutsche Handwerker am Aufbau einer eigenständigen rumänischen Wirtschaft mit. Damals sagten die Rumänen, die zum Handwerker gingen: <Ich gehe zum Deutschen>". Zwischen damals und heute liegt ein gescheitertes Gesellschaftssystem mit seinen verheerenden Folgen. Zu diesen Folgen gehört auch das unwiderrufliche Ende der deutschen Volksgruppe auf rumänischem Staatsgebiet.
Dieser Tatsache sollten deutsche Unterhändler und auch hochrangige Politiker bei ihren Verhandlungen mit rumänischen Kollegen immer Rechnung tragen.
Mark Jahr
aus DER DONAUSCHWABE, Aalen, 13. Januar 1991

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