In der "wohri Gschicht, die wu nirgends passiert is -, Romeo, Julia un die Blechmusich" -, schreibt m Berwanger sei Niklos abschließend: "Un seit dem Kerweisamschtach solls angeblich im ganze Banat aach ke Feindschaft meh gin uner de Musikante! (Wers glaabt, werd halt seelich!)"
Wer Jahrmarkts Nachbar ist, weiß, dass es sich bei dieser "Gschicht" um die Jahrmarkter Musikanten handelt und dass diese Feindschaft fortbesteht und die Jahrmarkter in zwei feindliche Lager spaltet.
Die gegenwärtige Atmosphäre ist dort fast unerträglich geworden. Sie vergiftet die Beziehungen der Bewohner zueinander in hohem Maße.
Gegen dieses Jahrmarkter (Musikanten)-Krebsgeschwür ist scheinbar noch kein Kraut gewachsen. Denn es wütet bereits seit Jahren, greift immer weiter um sich und zeitigt immer schlimmere Folgen. Was sich vor allem die alten und jungen Loris-Musikanten in Jahrmarkt leisten, geht nun doch schon zu weit. Da werden Leute auf der Gasse angehalten und gezwungen, zu rufen: "Es lebe Loris, der Kapellmeister!" Tun sie es nicht, so droht man ihnen oder man verprügelt sie. So wollten sie einen gewissen Wiesenmayer, ein zugewanderter Jahrmarkter, zwingen, Loris auf der Gasse hochleben zu lassen. Da er sich weigerte, schleppte man ihn zu einem gewissen Mathis in der Neuen Gasse, setzte ihn auf einen Tisch und forderte ihn drohend auf, die bekannte Losung zu rufen. Als der Mann dies verweigerte, begannen alle Loris-Musikanten auf ihn einzuschlagen. Ein anderes Mal haben dieselben Leute einen Kaszner-Musikanten in der Nacht auf der Gasse bewusstlos geschlagen und liegen lassen.
Selbst auf die Kinder hat der ganze Unsinn übergegriffen. So haben Viertklässler in der Schule Kapellmeister Kaszner (Loris' Rivale) des öfteren mit langer Nase auf die Schultafel karikiert, und das nur, um seinen Sohn Helmut zu ärgern, der sein Leid der Lehrerin klagte. Dem Schüler Wagner (Sohn des Vizebürgermeisters), Schüler der 1. Klasse, wurde der Kopf eingeworfen, diesmal von Kindern, deren Eltern Kaszner-Anhänger sind. Frauen, die Loris-Anhänger sind, poltern an Tür und Tor der Kaszner-Anhänger und schreien in die Höfe hinein "Hoch der Loris!"
Die Loris-Musikanten nennen sich "die Spitziche", die Kaszner-Musikanten "die Stumpe". Mit diesem Unsinn bringen sie auch viel Unruhe und Ärger unter die Dorfleute. Sie und ihre Anhänger pflegen gerne Leute, die neutral sind, zu fragen: "Was bischt, spitzich oder stump?" Dabei kommt oft derselbe Skandal heraus, wie es oben geschildert worden ist.
Interessant ist dabei die Tatsache, dass Loris und Kaszner Geschwisterkinder sind. Die beiden Kapellen sind ungefähr gleich stark. (Loris 49 Mann, Kaszner 50 Mann.) Zwar versucht Parteisekretär und Bürgermeister Meşter die feindlichen Lager zu versöhnen, bisher jedoch ohne Erfolg. Auf dem Jahrmarkter Trachtenfest, das ich miterlebte, appelierte er an die Jahrmarkter, den "Krieg der beiden Rosen", wie er sich im Scherz ausdrückte, zu beenden. Mit welchem Erfolg?
Es war Dienstag, 23. Februar. Richard W. weilte in Jahrmarkt zu Besuch. Um 22 Uhr 30 ging er zu seinem Kameraden Matz Loris, der mit den Jungmusikanten in der Neuen Gasse spielte. Es wurde nämlich Namenstag gefeiert - Mathias. Es war schon nach Mitternacht, als die jungen Musikanten die Sprache auf den ihnen verhassten Kaszner brachten und an diesem kein gutes Haar ließen. Richard wollte vermitteln und setzte sich für eine Versöhnung der beiden Kapellen ein, in der Meinung, es mit vernünftigen Kameraden zu tun zu haben. (Des öfteren hatte er mit ihnen schon gespielt. So auch am Silvesterabend in Temesvar, für den Schubertchor.) Dies sollte ihn teuer zu stehen kommen. Empört über soviel "Zumutung", warfen sie ihm vor, auf Kaszners Seite zu stehen. . . Sie stürzten sich auf ihn und schlugen Richard in der Nähe von Loris' Haus rücksichtslos nieder. Der junge Loris tat nichts für seinen Kameraden. (Beide sind Studenten am Klausenburger Konservatorium und wohnen in derselben Stube. . .)
(Da der Briefschreiber die Redaktion gebeten hat, seinen Namen nicht zu veröffentlichen, sehen wir davon ab.)
Anmerkung der Redaktion: Nachdem wir des öfteren Mitteilung über die Zwistigkeiten der zwei Jahrmarkter Blaskapellen erhielten, möchten wir jetzt mit Abdruck dieser Zuschrift, die Vorkommnisse wiedergibt, die den besagten Zustand illustrieren sollen, diese bedauernswerte "Affäre" vor die Öffentlichkeit bringen. Die Redaktion kann sich nicht mit dem Wortlaut des Briefes identifizieren, da sie die angeführten Fakten nicht geprüft hat, im Prinzip aber an der endgültigen Beseitigung des Zwistes interessiert ist. Sicher werden weitere Zuschriften aus der Gemeinde und aus der breiteren Öffentlichkeit den Tatverhalt vollständig erhellen und letzten Endes dazu beitragen, dass sich die Gemüter in Jahrmarkt beruhigen und die Feindschaft zwischen beiden Blaskapellen endlich ein Ende nehmen wird.
aus NEUER WEG, Bukarest, 14. April 1971
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