Samstag, 1. Oktober 2011

Aussiedlerdebatte im Ingolstädter Rathaus

Das Evangelische Bildungswerk in Ingolstadt hatte für den 7.12.1988 zu einer Aussprache über das Thema Aussiedler geladen. Ordnungsreferent Erwin Gassner hielt zu diesem Anlaß im Sitzungssaal des Rathauses den Vortrag "Die materielle und immaterielle Eingliederung der ausgesiedelten Deutschen".

Die Diskussion, die sich nach dem sehr sachbezogenen Vortrag des Ingolstädter Kommunalpolitikers eher schwerfällig anbahnte, wurde zum Schluß mit emotionaler Heftigkeit geführt. Die Gemüter schieden sich besonders an den materiellen, sprich finanziellen Hilfen, die Bund, Länder und Kommunen den Aussiedlern als Eingliederungshilfe zur Verfügung stellen.

Johann Metzger, der Vorstandsvorsitzende des Kreisverbandes der Banater Schwaben, und seine Frau Elfriede, Vorstandsmitglied, hatten keinen leichten Stand in einem Kreis von Bürgern, die diese Gelegenheit wahrnahmen, ihre Bedenken den Aussiedlern gegenüber öffentlich kundzutun. Sie kämpften aber mit sachkundigen Argumentationen und mit dem Bezug auf das notwendige Erkennen von geschichtlichen Zusammenhängen für die von Überlebenskämpfen ohnehin geprägten Aussiedler.

Spätestens aber als ein Bürger auf die Feststellung Johann Metzgers, daß Deutschland ein reiches Land wäre und darum den gegenwärtigen Aussiedlerstrom bewältigen könne, impulsiv antwortete, wir Aussiedler hätten dazu nichts beigetragen, war für alle Anwesenden klar, wie wichtig Wissen über die Vergangenheit des eigenen Volksstammes und Volkes ist. Johann Metzger konterte geistesgegenwärtig: "Ist Ihnen bekannt, daß im Jahre 1920 Tausende Kinder aus dem vom Hunger bedrohten Reich im Banat mit elterlicher Fürsorge aufgenommen wurden?"

Es wurde aus dieser Diskussion ersichtlich, daß dem Problem der Banater Schwaben und der Siebenbürger Sachsen ein Hauch besonderer Tragik im Kontext der allgemeinen Aussiedlerproblematik bescheinigt werden muß. Es war aus den Stellungnahmen der anwesenden Bürger nicht zu überhören, daß man bereit wäre, den Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen uneingeschränkte Rechte auf ihr traditionsbewußtes Deutschtum zuzugestehen, sie aber leider nicht aus der allgemeinen Aussiedlerdiskussion ausklammern könne.

Aus dieser Sicht scheint es besonders wichtig zu sein, daß die Verbände der Landsmannschaft der Banater Schwaben ihre regen kulturellen Tätigkeiten fortsetzen und wenn möglich intensivieren.
                                                                                                                                            Anton Potche


aus BANATER POST, München, 20. Januar 1989

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