Montag, 15. Juli 2013

Hundert Schallplatten bespielt

Kapellmeister Peter Müller und die Musikgeschichte seines Geburtsortes Kowatschi

Das kleine Dorf Kowatschi kann einen großen, einmaligen Rekord in unserer schwäbischen Musikgeschichte aufweisen: ein Kind des Dorfes, der spätere Kapellmeister Peter Müller, geboren am 24. August 1892, bespielte rund 100 Grammophonplatten; auch die erste Langspielplatte mit fast ausschließlich Banater Musik stammt von ihm.

Peter Müller
Bildquelle: Robert Rohr - 
Unser klingendes Erbe, Bd.1
Wie sein Bruder Michael und der bedeutende spätere Ortskapellmeister Matthias Zornick hatte der begabte Junge bei Johann Schütt ein Instrument gelernt, wahrscheinlich dem ersten Kowatschier Kapellmeister. Peter Müller durfte nach seiner Lehrzeit 1908 mit John Webers Knabenkapelle im Sommergarten der Hamburger Willhelmshalle musizieren. 1909 kam er nach Philadelphia und wurde hier mit seinen Geschwistern und anderen Kowatschiern ansässig.
Der gelernte Möbelanstreicher musizierte in Amerika eifrig und gründete bereits 1921 seine Banater Kapelle, mit der er in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen große Schallplatten-Erfolge erzielte. Viele seiner Musikanten kamen aus dem Banat, und ein wesentlicher Teil des Repertoires stammte von hier. Anfangs spielten sie Blas- und Streichmusik in Lokalen. Die erste Schallplatte brachten sie schon im Gründungsjahr 1921 bei der Firma "Arion" heraus. Danach folgten laufend Aufnahmen bei verschiedenen amerikanischen und englischen Firmen, vor allem bei "Columbia" und "Odeon", die letzte 1936 bei "Standard International". Interessant ist ferner, dass Müller seine Platten mit Musik und Gesang produzierte, ein beachtlicher Teil sind eigentlich Humor- bzw. Sprechplatten mit Musikuntermalung (Sprecher: Waldemar Alfredo, Theaterdirektor in New York), wobei viel Banater Volksgut festgehalten wurde.
Als Arrangeur fungierte der Temeswarer Arpad Peter Leblanc, der Posaune und Althorn blies. Einige Platten umfassten Eigenkompositionen Peter Müllers, andere Stücke von Johann Kneip, einem talentierten Kowatschier Musiker und Komponisten, der in mehreren Ortschaften (Uihel, Warjasch) gewirkt haben soll. Er war im ganzen Banat bekannt und unter den Kapellmeistern beliebt. Vielen schwachen Kapellen soll er in kürzester Zeit wieder auf die Beine verholfen haben. Kneip (geboren 1865) hatte das Flügelhorn zum Hauptinstrument. Er beherrschte es ausgezeichnet, auch noch in der Zeit, als er keine Zähne mehr hatte. Sein Lehrer war, wie bei Müller, Johann Schütt. Der arme Bauernsohn wirkte lange Jahre in Militärkapellen, bildete sich dort fort, erlernte mehrere Instrumente und brachte es zum stellvertretenden Kapellmeister. Die bekanntesten und jetzt noch gespielten Stücke Kneips sind der Walzer "Der Traum eines Kriegers", die "Alte-Zeiten-Polka" und "Ein gutes Herz". Sein Stiefbruder Matthias Kneip war ein guter Klarinettist, ein Kusin, Sepp Kneip, musizierte mehrere Jahre in Australien.
Der bekannteste Orchesterleiter in Kowatschi war nach Schütt dessen Schüler Matthias Zornick (geb. 1896), ein Kollege von Peter Müller in der Knabenkapelle. Seine Hauptinstrumente waren Klarinette, Bassflügelhorn und Violine. Die Kapelle in seinem Heimatdorf hatte er um 1915 übernommen - er war auch Militärmusiker ("Szupas") und erneuerte ihr Repertoire. Er war gut befreundet mit den Jahrmarkter Kapellmeistern Peter und Martin Loris, mit denen er ständig Notenmaterial austauschte. Seine stets 15 - 16 Mann starke Kapelle - um 1925 hatte er sich eine zweite Musikantengruppe herangebildet - spielte sowohl Blas- als auch Streichmusik.
Luzian Geier

aus NEUE BANATER ZEITUNG, Temeswar, 15. September 1978

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