Donnerstag, 9. Januar 2025

Verse für die Heimat

 Die Jahrmarkter Mundartdichterin Maria Ebner konnte sich an ihrem 80. Geburtstag einer reichen geistigen Fechsung erfreuen.

Wu Pipatsche im Feld drauß stehn, / ins Laab die Leit im Herbst noch gehn, / wu mer sich freindlich grießt und lacht, / em Nochber winscht a guti Nacht, / a gutes Wort eem jede saat, / dort is mei Heimat, es Banat.“
Diese Verse sind 1979 in der banatschwäbischen Blumenlese Fechsung (Kriterion Verlag Bukarest) erschienen. Ihre Schöpferin erblickte das Licht der Welt in der Pipatschzeit (5. Mai) des Jahres 1920 und darf sich im Herbst ihres Lebens der reichen und vielfältigen Fechsung ihres stets kreativen Geistes erfreuen. Wie fast alle Jahrmarkter war auch sie in der Banater Heckengemeinde leichter mit Hilfe ihres Spitznamens Kaschper Marian ausfindig zu machen. Die Kinder des Dorfes rezitierten ihre Hochzeitssprüche mit größerer oder mäßigerer Begeisterung, und so mancher Vortänzer trug einen von ihr verfassten Kerweihspruch hoch zu Fass vor. Auch die Moderatoren der berühmten Jahrmarkter Musikantenbälle griffen auf ihre dichterischen Kreationen zurück. Zu Weihnachten und Dreikönig war sie stets mit dem Christkind und den Königen aus dem Morgenland unterwegs.
Über die Dorfgrenzen hinaus wurde die Mundartdichterin unter ihrem bürgerlichen Namen Maria Ebner bekannt. Die PIPATSCH, die BANATER POST, DER DONAUSCHWABE und das DONAUTAL-MAGAZIN standen und stehen ihr als Veröffentlichungsforen zur Verfügung. Laut Dr. Anton Peter Petri in Deutsche Mundartautoren aus dem Banat erschien ihr erstes Mundartgedicht 1970 in der NBZ-Beilage PIPATSCH. Bereits 1979 konnte man aus berufener Feder erfahren: „Eine Vertreterin der Spruchdichtung ist die Jahrmarkter Bäuerin Maria Ebner. Die Zahl ihrer Gelegenheitsdichtungen ist eine dreistellige, wenn nicht sogar schon vierstellige; schätzungsweise allerdings, da vieles nur in einem einzigen handschriftlichen Exemplar existiert hat und nach dem Vortrag verlegt, verloren und vergessen wurde.“ (Ludwig Schwarz im Vorwort zur Fechsung).
Maria Ebner alias
Kaschper Marian
Die Biografie Maria Ebners unterscheidet sich nicht wesentlich von der vieler Banater Schwäbinnen ihrer Generation: Kleinhäuslertochter, sieben Klassen Volksschule, 1941 Heirat, drei Kinder, 1945 Deportation in die Sowjetunion, Saisonarbeiterin in der Jahrmarkter Staatsgenossenschaft, 1983 Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland. Seither hat die nach wie vor kreative Mundartdichterin ihre Wahlheimatstadt Crailsheim immer wieder für einige Stunden oder Tage verlassen, um mit ihrer hellen, klaren, zum Deklamieren geeignete Stimme ihre Gedichte bei landsmannschaftlichen Veranstaltungen vorzutragen. Dass sie dabei meist auswendig rezitierte, brachte ihr so manche Bewunderung ein.
Ein Werkverzeichnis mit Maria Ebners veröffentlichten und unveröffentlichten literarischen Schöpfungen gibt es nicht. Erwähnenswert wären auf jeden Fall ihre drei Einakter Domplatz, De stottriche Sepp und Die Tratschweiwer.
Beim Heimattag der Banater Schwaben in Ulm 1994 erklangen die von ihr verfassten Glocken der Heimat (Musik: Lorenz Speck, Jahrmarkt / USA): „Sie läuten, die Glocken, in Freud und in Schmerz, / Sie rufen, sie locken das sehnende Herz. / Oh Glocken der Heimat, ihr bleibt mir im Sinn, / Wo immer im Leben mich ziehet‘s auch hin.“ So mancher, der ihnen einst bewusst gelauscht hat, wird diese in Verse gegossene Gefühlswallung nachempfinden können.
Maria Ebner wurde im heuer besonders schönen Wonnemonat Mai 80 Jahre alt. Es ist ein Alter, das ihr hoffentlich die Kraft verleiht, noch das eine und andere Mundartpflänzchen sprießen zu lassen. Mögen die in ihrem Geiste so wach gebliebenen Glocken der Heimat (erschienen in Jahrmarkt im Banat, 1983) ihr auch weiterhin die dazu nötige Eingebung schenken.
Anton Potche

aus BANATER POST, München, 20. Juni 2000

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