Festlichkeiten in Temesvar.
Temesvar, 10. September
Dichtungen
sind beseelte Naturerzeugnisse, die mit Notwendigkeit aus
verschiedenen Faktoren hervorgehen: aus dem Zeitbewußtsein (den
politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zuständen), aus
der Rasse, aus dem Volkstum, der
Heimat, aus der häuslichen Umwelt und aus der Persönlichkeit des
Dichters selbst, als der innersten bestimmenden Triebkraft. Dieses
Wesen der Dichtung wird bei der Zweijahrhundertfeier des Schwabentums
wach, als scharfer Charakterzug eines Volkes, das überall, wohin es
seinen Fuß hinsetzt, die Natur beseelt, mit seiner inneren
Triebkraft Blüte und Reichtum, Kultur erstehen läßt. Aus dem Boden
im Banat, den der Schwabe sich gewählt, sind
in den zweihundert Jahren rastloser Arbeit Naturschätze geborgen
worden, entsprangen wirtschaftliche und geistige Werte, deren Umfang
immer größer, deren Auswirkungen immer intensiver wurden.
[…]
[…]
Festsitzung.
Ueber
den Verlauf der Festlichkeiten berichten wir wie folgt: Auf
zahlreichen Häusern wehte die Staatsfahne und auf denen der
Volksgenossen auch die rotgoldgehaltene schwäbische Fahne. Die
Festlichkeiten setzten Freitag abends mit einem Bekanntschaftsabend
im Hotel „Krone“ ein, in deren Mittelpunkte der
Hochschülerkommers stand, den der Med. cand. F. Klingler
eröffnete. Dr. Graßel aus Jugoslavien übermittelte die
Grüße der dortigen Deutschen, ein Student aus Württemberg die
Grüße der alten Heimat. Anwesend waren auch die sächsischen
Parlamentarier Rudolph Brandsch, Dr. Hans
Otto Roth, ferner Emil Neugeboren, einige Professoren aus
Szatmar und ein Balte. Der Hermannstädter Männergesangverein
„Hermania“ war vollzählig erschienen und löste mit der
herrlichen Wiedergabe der Gesänge Wies daheim war und des
Müller=Guttenbrunnschen Schwabenliedes frenetischen Beifall
aus.
[…]
Hierauf
sangen der Steierdörfer Bergmänner=Gesangverein, der
Steierdörfer Männergesangverein, der Temesvarer
Deutsche Gesangverein, sowie die Neupecser,
Modoser und Mehalaer Männergesangvereine
unter Leitung des Dirigenten Karl Reiter die Königshymne
mit deutschem Text, die durch die Gäste stehend angehört wurde. Prälat
Franz Blaskovits würdigte die Tugenden des schwäbischen
Volkes, pries dessen Fleiß, Ordnungsliebe und Gesetzesachtung,
dessen Treue zum Lande, in welchem es lebt, die ehrfurchtsvolle Treue
und Anhänglichkeit des braven Schwabentums zum Thron und beantragte, Sr. Majestät dem König ein Huldigungstelegramm zu senden.
Die
ganze Festversammlung erhob sich und brach in ein dreimaliges Hoch
auf den König aus.
Die
Gesangvereine brachten hierauf das Lied Das ist der
Tag des Herrn zum Vortrag.
[...]
Der
Festzug.
Den
Glanzpunkt des Schwabenfestes bildete der grandiose Festzug, der
gestern vormittag durch die Straßen unserer Stadt zog.
[…]
Fünfundzwanzigtausend
Menschen waren im Festzug. Die meisten Gemeinden des rumänischen
Banates, ungefähr 100 an der Zahl, waren mit großen Abordnungen
vertreten. Dreißig Musikkapellen und zumindest
ebensoviel Gesangvereine nahmen im Festzug teil, der
allen, die ihn gesehen und bewundert haben, ein unverwischbares
Erlebnis bleiben wird.
[…]
Den
Zug selbst eröffnete die Orzydorfer (Unterweger)=Musik,
der 150 Reiter folgten mit der rot=goldenen Schärpe um die Schulter.
[…]
Im
historischen Teil des Zuges fand auch die Schwarzwäldergruppe
besonderes Gefallen. […] Voran marschierte die Musik von
Sackelhausen.
[…]
Die
gelungene Faschingsgruppe aus Sackelhausen mit der Musik
aus Jahrmarkt löste Heiterkeit aus. Die
Schnittergruppe aus Jahrmarkt war lebensecht, ebenso die Gemüsegruppe
aus Lovrin.
[...]
Lenauheim
schickte einen Lenaufestwagen, Guttenbrunn einen Adam
Müller=Guttenbrunn=Wagen, auf welchem das reisigumrahmte Bildnis des
„Erzschwaben“ platziert war. Der Hermannstädter
Gesangverein „Harmonia“ marschierte unter Führung des
Prof. Dr. Konnerth, ferner der Steierdörfer
Bergmänner=, der dortige Gesangverein, der Aninaer
Arbeiter= Gesangverein mit ihren Fahnen unter klingendem
Spiel im Zug, während die übrigen Männergesangvereine
sich in den Gruppen ihrer Gemeinden eingegliedert hatten.
In
der Trachtengruppe der Gegenwart kamen erst Neusiedl a. d. Heide mit
Musik, dann Neuarad, die Männer mit Silberknöpfen am
Gewand. Die Lieblinger waren mit dem evangelischen Pfarrer Michael
Wolf sehr zahlreich vertreten. Im farbigen Hochzeitszug ging die
Braut allein voran, ihr folgten die Kranzelpaare, die Weiber, dann
der Bräutigam und die Männer, zum Schluß eine lustige Gruppe. An
der Spitze schritt die Musik. […] Die
„Nächstenliebe“=Tischgesellschaft Temeswar kam mit Musik.
[…]
Festmesse
und Festpredigt am Domplatz.
[…]
Der
apost. Administrator las die Festmesse, wobei der Marienfelder
Kirchenchor mit dem Orchester unter Leitung des Kantors
Schlier den choralen Teil überaus schön sang.
[…]
Zum
Schluß stimmte der apost. Administrator ein klangvolles Tedeum
laudamus an, das der Klerus und die Anwesenden mitsangen.
[…]
Die
Feier am Domplatz endete mit dem Heil dir mein Heimatland,
das mit Orchesterbegleitung von den Priestern und den Deutschen
weithallend gesungen wurde.
[…]
Die
weiteren Festlichkeiten.
[…]
Sonntag
abends veranstaltete die Sackelhausener Knabenkapelle
mit dem Kapellmeister Loriß
vor dem deutschen
Hause einen Zapfenstreich. Hernach fand im Sommertheater unter
Mitwirkung der Warjascher Jugend und des Marienfelder
Kirchenchors eine
Theatervorstellung statt.
[…]
In
der Reihe der Festlichkeiten sei noch das gestern nachmittag im
Fabrikshof stattgefundene Wettsingen erwähnt, an welchem folgende
Gesangvereine
teilnahmen: aus Varjas
(Dirigent Hora),
Hodony
(Dittrich),
Neusiedl
(Bosch),
Lugos
(Wallisch),
Sarafalva
(Leßl),
Hermannstadt
(Stubbe),
Kleinjecsa
(Eck),
Gyertyamos
(Ballauer),
Arbeiter Gesangverein Anina
(Dudl),
Steierdorf
(Babiak),
Neupecs
(Mathias),
Mehala
(Reiter),
Schöndorf (Weber),
Segenthau
(Eisele),
Marienfeld
(Wittmann).
Außerdem spielte die Orzyidorfer Unterweger‘sche
Musik. Es
sprachen Wilhelm Koppony
und andere Führer des Schwabentums.
aus TEMESVARER ZEITUNG, Temesvar, 11 September 1923
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