Gyarmatha, 20. Jänner.
Vivos voco, mortuos plango.
Dumpf,
klagend erdröhnt die Glocke des Gyarmathaer Kirchenturms, die ihres
Vaters beraubte verwaiste Gemeinde zur düsteren Leichenfeier
einladend.
Vivos
voco! Sie ruft die Ueberlebenden, die in tiefem Schmerz trostlos
Zurückgebliebenen herbeizueilen, daß sie dem schlichten und doch so
großen Sohne der Gemeinde das letzte Geleite geben, wenn sein müder,
gebrochener Körper wieder dem Schoße der Muttererde zurückgegeben
wird.
Mortuos
plango! Sie beweint den Verstorbenen, der nach einem so
thatenreichen, an Erfolgen so glänzenden Leben die Stätte seiner
Arbeitsamkeit zurücklassen mußte, bevor sein Lebenswerk noch ganz
beendet war.
Vivos
voco! Sie mahnt die an der Grabstätte versammelten Lebenden, bei
der Rückkehr zum Alltagsleben eingedenk zu sein der Tugenden, welche
sie jetzt pietätsvoll anerkennen und sich den Lebenslauf des
Verblichenen zum Muster zu nehmen.
Mortuos
plango! Sie klagen an der Grabstätte des Verblichenen, daß es
das Schicksal so gefügt, daß er seine Gemeinde, seine Kinder
verlassen mußte für ewige Zeiten.
Und
aus allen Hütten und Wohnungen Temesgyarmathas hat sich die Klage
der schlichten Insassen mit den wimmernden, jammernden Tönen der
Kirchenglocke vermengt.
Tausende
sind in dem alten Herrenhause versammelt, tausende geleiten den
prunkvollen Todtenwagen nach der Familiengruft, deren Thore sich
dumpf dröhnend hinter dem neuen Insassen schließen.
Baron
Béla Ambrózy ist zu seinen Vätern heimgekehrt!
Er
ruhe sanft!
Die Kondolenzen.
[…]
Die Trauergäste.
Die
Trauergäste trafen
zum Theil schon gestern ein. Das Gros derselben traf jedoch heute
Vormittag mit dem fahrplanmäßigen und einem Extrazuge ein. […]. Es gelang uns von der großen Anzahl der Erschienenen folgende Personen zu notiren:
Geheimrath
Graf Andreas Csekonics, Ministerialrath Georg v. Radisich
des Ackerbauministeriums, Reichstagsabgeordneter Karl Hußár
und Gemahlin geb. Baronesse Georgina Ambrózy, Baron Julius
Ambrózy, […], bischöfl. Sekretär Augustin Pacha,
Dechantpfarrer Franz Demele (Gyarmatha), […].
Die Trauerzeremonie.
Als
die Trauergäste im herrschaftlichen Kastell angelangt waren – es
war mittlerweile ½ 11 Uhr geworden - und die Führer der
Deputationen sowie einzelne Persönlichkeiten dem Sohne des
Verstorbenen, Baron Andor Ambrózy,
kondoliert hatten, nahm
Senior Béla Kramár
die Einsegnung der Leiche vor.
[…]
Nachdem
der Priester seine Rede mit einem Gebete beendet hatte,
verabschiedete sich Namens des Temeser Komitates
Vizegespan Alexander
Ferenczy von dem
Verstorbenen.
[…]
Der Leichenzug.
Nachdem
die Worte des Vizegespans verklungen waren, wurde der Sarkophag auf
den vierspännigen Leichenwagen der Gemeinde Gyarmatha gehoben und
der vom Geschäftsführer Béla Sebes der Emerich Varga‘schen
Leichenbestattungsunternehmung „Szent=Margit“ arrangirte schier
endlose Trauerzug setzte sich in Bewegung.
An
der Tête marschirte die
Musikkapelle des 61. IR, die den Beethoven‘schen
Trauermarsch intonierte, sodann folgte ein Zug der Ehrenkompagnie
des 61. Infanterie-Regiments unter dem Kommando des Hauptmanns
Abraham. Anschließend marschirte die Temesvárer und
Temesgyarmathaer Feuerwehr mit der
Musikkapelle der
letzteren, weiters eine
Abteilung des Temesgyarmathaer
Schützenkorps mit der Musikkapelle.
Zwischen einer Spalier von Schützen und der Vertreter der
Gemeinderepräsentanz unter Führung des Gemeindenotärs Johann
Szánthó kamen der mit Kränze beladene
Blumenwagen und der Leichenwagen. Dem Sarge voran wurden auf zwei
Samtpölstern die zahlreichen Orden und Medaillen Ambrózys
getragen. An den Außenfronten zu beiden Seiten des Leichenzuges
schritten Hausoffiziere der Entreprise mit brennenden Flambeaus und
den Wappenschildern des Verewigten.
Dem
Sarge folgten sodann die
Familienangehörigen und die erschienenen Notabilitäten, während
als Abschluß des Konduktes der zweite Zug der Ehrenkompagnie des 61.
Infanterie-Regimentes schritt.
Natürlich
gab die Bevölkerung Gyarmathas dem verstorbenen Grundherrn fast
vollzählig das letzte Geleite.
Während
der Trauerzug sich dem Gottesacker näherte, erdröhnten aus der
Ferne dumpfe Böllerschüsse zum letzten Abschied von der
Heimathsgemeinde Temesgyarmatha.
Vor
der Familiengruft machte der Zug Halt und Seelsorger Franz Bohns
segnete hier nochmals die irdischen Ueberreste ein. Ein kurzes
ergreifendes Gebet, ein Salutschuß der Truppe und die Thorflügel
der Familiengruft schlossen sich für immer hinter weil. Béla
Ambrózy.
Die Trauergäste verließen noch mit dem Mittagszuge den Ort.
aus TEMESVÀRER ZEITUNG, Temesvár, 21. Jänner 1911
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