Dienstag, 13. September 2022

Unbeugsamer Aktionismus

 Das Heimatbuch „Fratelia – ein kostbares Kleinod


Franziska Graf (Hg.): „Fratelia – 6. Bezirk der Banater Metropole Temeschburg – Eine Erinnerung an Neu Kischoda und Besenyö-Telep“. Eigenverlag.
Wenn die Frateliaer am 23. Mai nach Ingolstadt zu ihrem HOG-Treffen fahren, werden sie der Erinnerung nicht nur in Fleisch und Blut begegnen, sondern auch in Schrift und Bild. Letztere hat zweifelsohne den Vorteil, daß man sie nach dem Treffen mit nach Hause nehmen kann, und so nicht die Erinnerung selbst der Erinnerung überlassen muß, wie es leider mit den Verwandten, Freunden und Bekannten zwangsläufig geschieht. 
Die Schrift- und Bilderinnerung an Fratelia liegt jetzt für alle Interessierten an deutschem Vorstadtleben im Banat vor. Fratelia lebt in diesem 456-Seiten-Leinenband so weiter, wie die Neu-Kischodaer und Besenyö-Teleper ihr Dorf und später ihren Stadtteil bis zu ihrer jeweiligen Aussiedlung kannten.
Nicht weniger als 48 Mitautoren werden als Schöpfer dieses Buches, das die Galerie unserer donauschwäbischen Heimatbücher bereichert, von der Herausgeberin und Redakteurin Franziska Graf genannt. Dieser Schreiber(innen)reichtum schlägt sich natürlich in der Vielfalt der Beiträge und besonders in ihrer Originalität – den oft abwertenden Beigeschmack vergessend, könnte man auch sagen, in ihrer Volkstümlichkeit – nieder. Es ist eben die persönliche Handschrift jedes einzelnen, hier zu Wort gekommenen Erinnerungsträgers, die dieses stattliche Werk zu einem interessanten Lese- und Bilderbuch macht. Und das Verdienst der Redakteurin liegt besonders darin, die Ausdrucksformen der Mitautoren, soweit es sprachlich und grammatikalisch einigermaßen vertretbar war, unverfälscht in Druck gegeben zu haben.
Franziska Grafs ehrenamtliches Engagement für ihre Banater Landsleute im Allgemeinen und für die Ingolstädter, Schager und eben Frateliaer Banater Schwaben im Besonderen ist längst kein Geheimnis mehr; sehr wohl ist dies aber die Kraftquelle, aus der diese Frau (geb. 1933 in Schag) ihre schöpferischen Impulse erhält. In diesem Buch lüftet Franziska Graf nun dieses Geheimnis in einem spannenden autobiographischen Beitrag. Daß Gene als Träger einer kreativen Unruhe an dem unermüdlichen Wirken unserer Landsmännin schuld sind, mag uns in erster Reihe aufregend erscheinen. Viel wichtiger und anerkennenswerter sollte uns aber das Ziel ihres unbeugsamen Aktionismus sein, liegt es doch klar erkennbar in sozialen und kulturellen Sphären. 
Das vorliegende Heimatbuch ist nur eine der vielen Früchte dieser segensreichen Unruhe, der Schagerin, Frateliaerin, Temeswarerin, Ingolstädterin und nicht zuletzt Banater Schwäbin Franziska Graf, und man darf es getrost auch als Ergänzung zum Heimatbuch Temeschburg / Temeswar betrachten.
Mark Jahr

aus DER DONAUSCHWABE, Aalen, 9. Mai 1999

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