Die jüngste und (wahrscheinlich)
letzte Jahrmarkter Musikkapelle wurde 10 Jahre alt
So mancher Musikant, der im Banat
noch aktiv war, wird Wehmut empfinden, wenn er hierzulande in einem
Lokalblatt von zwanzig-, dreißig-, vierzig- bis zu hundertjährigen
Gründungsjubiläen verschiedener Musikformationen (meist
Blaskapellen) liest oder wenn er vielleicht als Mitglied einer dieser
Kapellen sogar an den Feierlichkeiten eines solchen Jubiläums
teilnimmt.
Wenn unser Auswandern auch einen
negativen Aspekt aufzuweisen hat, dann ist es vor allem der Verlust
unseres in den siebziger Jahren besonders regen Kulturlebens in den
Banater Dörfern. Die vielen Musikkapellen spielten bei den
Veranstaltungen stets eine wesentliche, in einigen Ortschaften sogar
eine dominierende Rolle.
Die in zwei Jahrhunderten
gewachsenen Dorfstrukturen mit ihren introvertierten, stark
traditionsbetonten Lebensabläufen schufen ein ideales Klima für das
Wirken von Musikgruppen über lange Zeiträume hinweg. Die
Jahrmarkter Kaszner-Kapelle wäre vor einem Jahr 40
Jahre alt geworden, und die Ehemaligen der Loris-Kapelle
trafen sich heuer anläßlich ihres neunzigjährigen
Gründungsjubiläums, das vermutlich mehr dem Gedenken als
musikalischem Jubilieren dienen durfte. Was Krieg und Diktatur nicht
zerstören konnten, hat letztendlich die Aussiedlung bewirkt. Keine
der beiden Kapellen erlebte in Deutschland eine Wiederauferstehung.
Die damaligen Juniorkapellmeister der Jahrmarkter Blaskapellen sind
heute erfolgreiche Leiter von Jugendblaskapellen im Westen
Deutschlands. Die Jahrmarkter Musikanten spielen aber trotzdem
weiter, und zwar im Süden Deutschlands.
Sepp Tritz hat vor zehn
Jahren in München die Original Jahrmarkter Musikanten
gegründet. Somit ist er der letzte Jahrmarkter, der sich in diesem
Jahrhundert in die Riege der Jahrmarkter Kapellmeisternamen
eingereiht hat: Jauch (Gründungsjahr: ca. 1900), Rastädter
(ca 1900), Loris (1908), Kelter (ca. 1920), Kreuter
(1937), Kern (1946), Kaszner (1957), Schütt
(1983), Linz (1986) – die zwei letzten hatten die Leitungen
der Kaszner- bzw. Loris-Kapelle bis zu
deren endgültigen Auflösung inne -, Tritz (1988).
Daß die letzte Namenseintragung
nicht mehr in Jahrmarkt, sondern bereits in neuen Gefilden (die Tag
für Tag, Schritt für Schritt als Heimat erschlossen werden mußten)
stattfand, mag signifikant für den Werdegang unseres ganzen
Volksstammes sein. Wir gingen, um Banater Schwaben zu bleiben, denn
viel mehr als seine Identität kann ein Mensch auf Heimatsuche nicht
über die Zeit retten. Alle materiellen Mitbringsel gehen irgendwann
verloren.
Bei der mühseligen Erschließung
einer neuen Heimat können Erinnerungen als hilfreicher
Innehaltefaktor eingesetzt werden. Vertraute Musik, gespielt von
Kapellen mit vertrauten Namen, kann – wenn auch nur für ein paar
Stunden – in Menschen Gefühle wachrütteln, die diese in weit
zurückliegenden Jahren schon einmal erlebt haben. Die Mannen um Sepp
Tritz und seine Gesangspartnerin Lotte Hehn pflegen den
Musikstil, der für die meisten Kapellen im Banat charakteristisch
war: eine Mischung aus Blas- und auf Schlager basierender Tanzmusik.
Vielleicht deutet das Original im Namen dieser
Tanzkapelle nicht nur auf die Instrumentenbesetzung hin, sondern auch
auf den Erinnerungswert einer bewehrten Dorftradition mit all ihren
gesellschaftlichen Implikationen. So selbstverständlich, wie zu
einer neuen Heimaterschließung auch neue Bekanntschaften gehören,
so normal ist es auch, daß heute Nicht-Jahrmarkter einen wichtigen
Beitrag zum guten Klang dieser Tanzkapelle leisten.
Die Original Jahrmarkter
Musikanten blieben von einer in solchen Musikgruppen nicht
seltenen Fluktuation weitgehend verschont, was sich natürlich
positiv auf ihren Werdegang ausgewirkt hat. Sie traten in den
vergangenen zehn Jahren bei vielen Kulturveranstaltungen unserer
Verbandsgliederungen auf und gestalteten den musikalischen Rahmen für
so manches Heimatortstreffen. Auch die zwei bei TYROLIS erschienenen
MC/CDs Wir sind alle Sonntagskinder und Die Botschaft der
Berge zeugen von dem Engagement, traditionelle, altbekannte
Melodien zu bewahren und gleichzeitig neues Tanzmusikgut zu
vermitteln.
Nach persönlichen Wünschen zum 10.
Geburtstag seiner Kapelle befragt, sagte der „Jahrmarkter“ Sepp
Tritz: „Mit den gleichen Leuten weitermachen wäre schön, auch
wenn es ab und zu mal Auftragsflauten gibt.“ Der Mann weiß, wovon
er spricht, denn die Praxis hat gezeigt, daß nur Gruppen mit einem
stabilen Personalkern die Riffe des Musikbetriebs unbeschadet
durchschiffen können.
In diesem Sinn kann man dem
Stammpersonal der Original Jahrmarkter Musikanten nur wünschen, daß
es bei seinem zwanzigjährigen Gründungsjubiläum noch die gleichen Namen aufzeigen kann wie heute: Lotte Hehn (Bakowa / Gesang),
Ernst Bechler (Bakowa / Trompete, Flügelhorn),
Hartmuth Bechler (Bakowa / Schlagzeug), Josef Hehn
(Niederbayern, Eltern aus Schiwatz in der Batschka / Tenorhorn,
Posaune), Josef Probst (Jahrmarkt / Tuba, E-Baß), Alwin
Schreier /(Jahrmarkt / Akkordeon, Keyboard), Michael Tritz
(Jahrmarkt, / Trompete, Flügelhorn), Sepp Tritz (Jahrmarkt /
Leitung, Gesang, Tenorhorn, Posaune).
Anton Potche
aus BANATER
POST, München, 5. Januar 1999
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