Dienstag, 8. Juni 2021

Erinnerungen an die Rußlanddeportation

Reinhard Scherer und Manfred Loris präsentieren einen Videofilm von einer würdevollen Gedenkfeier in Nürnberg

Bewegliche Bilder in Schwarzweiß. Kriegshandlungen, furchterregende Bombergeschwader, Panzer im Gelände, bizarre Scheinwerferlinien am Himmel, bedrückende Frontszenen und dazu der Kommentar einer unverkennbar jugendlichen Frauenstimme: „Im August 1944 verfielen im Osten, zwischen dem Schwarzen Meer und den Karpaten, zwei deutsche und drei rumänische Armeen der Heeresgruppe Süd vor dem Ansturm überlegener russischer Kräfte einer fast völligen Auflösung. Der Vormarsch der russischen Einheiten war nicht mehr aufzuhalten. Damit begann das dunkelste Kapitel in der Geschichte der Deutschen in Rumänien: Flucht, Verfolgung, Diskriminierung, Deportation, Enteignung.“

Untermalt mit schwermütigen Klängen von Bach, Rimskij-Korsakow, Beethoven, Schumann, Paganini, Mozart und Schubert werden die Themen Flucht und Deportation sachlich mit Fotos, Briefen und Zeichnungen von Julius Stürmer, Adolf Kroner, Friedrich von Bömches und Sebastian Leicht dargestellt. Auch wenn die Zitate aus dem Erinnerungs-Büchlein an alle meine Lieben von der damals 15-jährigen Annamaria Possler aus Bruckenau und so manche Lagerszenen mit der ergreifenden Begleitmelodie des Rußlandliedes (meisterhaft von der Sprecherin des Films, Alexandra Scherer, auf der Violine interpretiert) besonders gefühlsträchtig sind, rutscht die filmische Wiedergabe dieser beklagenswerten Passion der Rumäniendeutschen nie ins Kitschige ab. Bar jeder Selbstbemitleidung bleibt der Filmkommentar nüchtern und sachkundig; ein Verdienst des für die Dokumentation zeichnenden Journalisten Luzian Geier.
Mit dem Ende der Deportation verschwinden zwar die letzten Schwarzweiß-Bilder vom Bildschirm, nicht aber die Problematik dieses menschenrechtswidrigen Aktes. Eben die geistige und besonders die seelische Verarbeitung des Verschleppungstraumas steht im Mittelpunkt der zweiten Filmhälfte. Die Bilder werden zwar farbig und die trostspendende Wirkung des Gedenkgottesdienstes in der Nürnberger Kirche Maria am Hauch vom 14. Januar 1995 ist nicht schwer nachzuvollziehen, aber die folgende Gedenkfeier bei Kaffee und Kuchen zeigt dann, daß die Gefühle der Betroffenen von uns Jüngeren mit etwas gutem Willen verstanden werden können, doch in der von den geschädigten erlebten Intensität niemals nachvollziehbar sind. Die Erlebnisberichte einiger Anwesenden legen dafür ein beredtes Beispiel ab. Umso wichtiger werden für die folgenden Generationen die geschichtlichen Hintergründe solcher Untaten, um ähnliches zu vermeiden.
Luzian Geier, Chefredakteur des in Augsburg erscheinenden buchenlanddeutschen Presseorgans DER SÜDOSTDEUTSCHE, versucht anhand von fünf teils noch offenen Fragen die geschichtlichen Ursachen der Deportation zu durchleuchten.
1.) Wer hat den Beschluß der Deportation gefaßt? War es Stalin, General Serov( Iwan der Schreckliche genannt) oder war der geistige Urheber dieses Vergehens gar Tito?
2.) Wie standen die (damalige) rumänische Regierung, die Parteien, der König und die Kirche zur Verschleppung?
3.) Warum mußten unsere Landsleute nach Rußland?
4.) Welchen Status hatten die Deportierten? Waren sie Arbeitskräfte für Reparationsleistungen, politische Häftlinge oder Internierte?
5.) Was haben die Alliierten zur Deportation der Deutschen aus Rumänien gesagt?
Geier gibt Antworten, die besonders den einen oder anderen Betroffenen nicht gerade zufriedenstellen, aber eben darum vom Primat der wissenschaftlichen Objektivität seiner Ausführungen zeugen. Gerade diese strenge Sachlichkeit ist nötig, damit der zum Filmende geäußerte Wunsch eines Vertreters der Nachfolgegeneration hoffentlich bald in Erfüllung gehen kann. Johann Eichinger (Jahrmarkt): „Ich wünscht‘, es wäre für immer Friede auf dieser Erde.“

Anton Potche

aus BANATER POST, München, 5. Mai 1998

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