Dienstag, 25. Mai 2021

„Ich hab Ratten im Haus und brauch ein anderes ...“

Häuserpflege in Banater Ortschaften heute (II)

Groteske Forderungen gibt es auch / Mietrückstände müssen beglichen werden, damit Mittel für Reparaturen vorhanden sind / Wandervögel braucht niemand

Eine Untersuchung von Peter Müller und Michael Vastag

Die „Neigass“, obwohl um vieles schmäler als die Altgasse, ist die schönste in Jahrmarkt. Von einem Ende bis zum anderen stehen fast ausschließlich Nußbäume und dahinter die schmucken Häuser. Vor dem Haus Nr. 157 bleiben wir stehen. „Der Hausgiebel war herausgefallen, nun ist er wieder neu. Doch lange ist dieses Haus nicht mehr bewohnbar. Es fällt bald zusammen. Dabei arbeitet der Mieter als Maurer“, erklärt Vizebürgermeister Josef Wagner.


In der „Neigass“, die so einheitlich bebaut ist, wird bald eine Lücke klaffen, die erste überhaupt, die in dieser schönen Jahrmarkter Straße entsteht. Andere Staatshäuser allerdings können, obwohl auch dort die Mieter erheblichen Schaden verursachten, durch aufwendige Reparaturarbeiten noch erhalten werden. Viele Beispiele kann man uns beim Volksrat nicht nennen. Doch auch die wenigen „Schandflecke“ sollten für den Volksrat schon ein Alarmzeichen sein.

Schwacher Wirtschaftssinn

Einige Mieter wurden schon mehrmals vom Volksrat verwarnt. Einsicht gezeigt hat allerdings keiner von ihnen. „Nachdem das Wohnungsproblem für die meisten Arbeiter der LPG und der SLB sowie der übrigen Wirtschaftseinheiten unserer Gemeinde so gut wie gelöst ist, liegen nun beim Volksrat nur noch wenige Wohnungsgesuche vor. Der SLB verfügt bereits über mehrere Blockwohnungen und in diesem Jahr wird ein weiterer fertiggestellt. Außerdem besitzt der SLB auch noch andere Unterkunftsmöglichkeiten. Der Volksrat wird die Landwirtschaftseinheiten bei der Wohnraumzuteilung auch weiterhin unterstützen. Staatshäuser jedoch will der Volksrat in Zukunft vorrangig den im Ort Beschäftigten zuteilen, von denen er auch die Gewissheit hat, dass diese in der Gemeinde ansässig werden wollen. Wandervögel und Beschäftigungslose haben keine Aussicht mehr, als Mieter einzuziehen. Wir erachten es als angebracht, daß jedem Neuankömmling vorerst eine SLB-Wohnung zugeteilt wird. Erst nach zwei oder drei Jahren, nachdem auch wir diese Leute besser kennengelernt haben, werden wir die Zuteilung eines Staatshauses in Erwägung ziehen.“ Wie Margarete Ebner, Kassierin beim Gemeinderatsvolksrat mitteilt, haben die beschäftigungslosen Mieter auch die größten Mietrückstände zu begleichen. 

Die Beispiele von Mietern, die Haus, Hof und Garten tadellos instand halten, und auch ihre Miete pünktlich bezahlen, sind jedoch weitaus zahlreicher. Man nennt uns den Automechaniker vom SLB, Constantin Țînțar (Hausnummer 253), Josef Liegl (83), Arbeiter im Petrochemischen Kombinat „Solventul“, den Rentner Sava Păun (81), den Schofför Bebe Stănișteanu (427), die SLB-Ingenieure Mihai Secuianu und Ion Cuzma (207 bzw. 263), den Landwirtschaftsmechaniker Mircea Daria, der mit seiner Frau und den neun Kindern das Haus Nr. 282 bewohnt, und Aurel Florescu (46), der aus eigenen Stücken auch einige Wirtschaftsbauten errichtet hat.
Viele von den genannten Mietern führen eine mustergültige Hauswirtschaft und haben auch Lieferverträge abgeschlossen. Sie weißen ihre Häuser genauso wie Wes Kathi Junginger zweimal im Jahr und streichen den Hauszaun hellgrün. „Viele dieser Mieter beteiligen sich auch an gemeinnützigen Aktionen als verlässliche Helfer des Volksrates“, erzählt Vizebürgermeister Wagner. „Andere wieder stellen an den Volksrat nur Forderungen , die manchmal sogar ins Groteske ausarten. So wurde Florea Adrian (893), Arbeiter bei „Avicola“, beim Volksrat vorstellig und beantragte eine neue Wohnung, ein neues Haus. Die einzige Begründung: in dem alten hätten sich Ratten eingenistet und die gingen jetzt an den Speck.

Ich bin eine „Saffer“

Ein Haus in der Neugasse, mit schwäbischem Giebel und langem Gang, Rebspaliere im Hof und im Garten, Obstbäume und saubere Gemüsebeete. Die Hausfrau schafft sofort Klarheit: „Ich bin eine Saffer“, was in Jahrmarkt heißen soll, daß sie sich zur Anhängerschaft der Kaszner- und nicht der Loris-Kapelle zählt. Eugenia Cătălina gesteht aber, daß sie auch die Konzerte der Loris-Kapelle besucht und schon ganz gut Polka tanzen kann.

Eugenia Cătălina kommt aus Fundulea und ihr Mann, Schofför beim Temeswarer Jugendhaus, aus Oltenien. In Jahrmarkt haben sie sich kennengelernt und geheiratet. „Am Anfang wohnten wir einige Zeit bei der Wes Schuster Liss in Untermiete. Sie war uns wie eine Großmutter. Kuchen backen habe ich von der Wess Anna Kronenberger gelernt. Vor nunmehr zehn Jahren haben wir dieses Haus gekauft und eingerichtet. Wie sie sehen, ist alles für die Kerwei vorbereitet. Ich freue mich schon darauf. Die Blechmusik wird auch durch unsere Gasse ziehen und die Kerweibuben werden auch unser Haus betreten. Ich würde nie Jahrmarkt mit Temeswar tauschen. Ich fühle mich in dieser schönen Gemeinde zu Hause. Und eben darum kann ich jene Leute, die nicht das Geringste dazu beitragen wollen, das Bestehende zu wahren und zu erhalten, nicht verstehen. Ich sage es auch oft zu meinen Nachbarn: Nimm doch mal den Besen in die Hand und kehre auch auf der Gasse vor deinem Haus. Siehst du denn nicht, daß das alle so machen?“
Eugenia Cătălina erzählte uns auch von ihren Plänen, wie sie das Haus weiter umgestalten und den Garten besser nutzen will. Sie erzählte uns auch, daß sie ihrem 12-jährigen Sohn eine Klarinette gekauft hat. In welcher Kapelle er spielen wird? „Beim Kaszner, selbstverständlich.”


aus NEUER WEG, Bukarest, 24. Mai 1983


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