Häuserpflege in Banater
Ortschaften heute (II)
Groteske Forderungen gibt es auch
/ Mietrückstände müssen beglichen werden, damit Mittel für
Reparaturen vorhanden sind / Wandervögel braucht niemand
Eine Untersuchung von Peter
Müller und Michael Vastag
Die „Neigass“, obwohl um
vieles schmäler als die Altgasse, ist die schönste in Jahrmarkt.
Von einem Ende bis zum anderen stehen fast ausschließlich Nußbäume
und dahinter die schmucken Häuser. Vor dem Haus Nr. 157 bleiben wir
stehen. „Der Hausgiebel war herausgefallen, nun ist er wieder neu.
Doch lange ist dieses Haus nicht mehr bewohnbar. Es fällt bald
zusammen. Dabei arbeitet der Mieter als Maurer“, erklärt
Vizebürgermeister Josef Wagner.
In der „Neigass“, die so
einheitlich bebaut ist, wird bald eine Lücke klaffen, die erste
überhaupt, die in dieser schönen Jahrmarkter Straße entsteht.
Andere Staatshäuser allerdings können, obwohl auch dort die Mieter
erheblichen Schaden verursachten, durch aufwendige Reparaturarbeiten
noch erhalten werden. Viele Beispiele kann man uns beim Volksrat
nicht nennen. Doch auch die wenigen „Schandflecke“ sollten für
den Volksrat schon ein Alarmzeichen sein.
Schwacher Wirtschaftssinn
Einige
Mieter wurden schon mehrmals vom Volksrat verwarnt. Einsicht gezeigt
hat allerdings keiner von ihnen. „Nachdem das Wohnungsproblem für
die meisten
Arbeiter der LPG und der SLB sowie der übrigen Wirtschaftseinheiten
unserer Gemeinde so gut wie gelöst ist, liegen nun beim Volksrat nur
noch wenige Wohnungsgesuche vor. Der SLB verfügt bereits über
mehrere Blockwohnungen und in diesem Jahr wird ein weiterer
fertiggestellt. Außerdem
besitzt der SLB auch noch andere Unterkunftsmöglichkeiten. Der
Volksrat wird die Landwirtschaftseinheiten bei der Wohnraumzuteilung
auch weiterhin unterstützen. Staatshäuser jedoch will der Volksrat
in Zukunft vorrangig den im Ort Beschäftigten zuteilen, von denen er
auch die Gewissheit hat, dass diese in der Gemeinde ansässig werden
wollen. Wandervögel und Beschäftigungslose haben keine Aussicht
mehr, als Mieter einzuziehen. Wir erachten es als angebracht, daß
jedem Neuankömmling vorerst eine SLB-Wohnung zugeteilt wird. Erst
nach zwei oder drei Jahren, nachdem auch wir diese Leute
besser kennengelernt haben, werden wir die Zuteilung eines
Staatshauses in Erwägung ziehen.“ Wie Margarete Ebner,
Kassierin beim Gemeinderatsvolksrat mitteilt, haben die
beschäftigungslosen Mieter auch die größten Mietrückstände zu
begleichen.
Die
Beispiele von Mietern, die Haus, Hof und Garten tadellos instand
halten, und auch ihre Miete pünktlich bezahlen, sind jedoch weitaus
zahlreicher. Man nennt uns den Automechaniker vom SLB, Constantin
Țînțar
(Hausnummer
253), Josef Liegl
(83), Arbeiter im Petrochemischen Kombinat „Solventul“, den
Rentner Sava Păun
(81), den Schofför
Bebe Stănișteanu
(427),
die SLB-Ingenieure
Mihai Secuianu und
Ion Cuzma (207 bzw.
263), den Landwirtschaftsmechaniker Mircea Daria,
der mit seiner Frau und den neun Kindern das Haus
Nr. 282 bewohnt, und Aurel Florescu
(46), der aus eigenen Stücken auch einige Wirtschaftsbauten
errichtet hat.
Viele
von den genannten Mietern führen eine mustergültige Hauswirtschaft
und haben auch Lieferverträge abgeschlossen. Sie weißen ihre Häuser
genauso wie Wes Kathi Junginger
zweimal im Jahr und streichen den Hauszaun hellgrün. „Viele dieser
Mieter beteiligen sich auch an gemeinnützigen Aktionen als
verlässliche Helfer des Volksrates“, erzählt Vizebürgermeister Wagner.
„Andere wieder stellen an den Volksrat nur Forderungen , die
manchmal sogar ins Groteske ausarten. So wurde Florea
Adrian (893), Arbeiter bei
„Avicola“, beim Volksrat vorstellig und beantragte eine neue
Wohnung, ein neues Haus. Die einzige Begründung: in dem alten hätten
sich Ratten eingenistet und die gingen jetzt an den Speck.
Ich bin eine „Saffer“
Ein Haus in der Neugasse, mit
schwäbischem Giebel und langem Gang, Rebspaliere im Hof und im
Garten, Obstbäume und saubere Gemüsebeete. Die Hausfrau schafft
sofort Klarheit: „Ich bin eine Saffer“, was in Jahrmarkt heißen
soll, daß sie sich zur Anhängerschaft der Kaszner-
und nicht der Loris-Kapelle
zählt. Eugenia Cătălina
gesteht aber, daß sie auch die Konzerte
der Loris-Kapelle
besucht und schon ganz gut Polka tanzen kann.
Eugenia Cătălina
kommt aus Fundulea und ihr Mann, Schofför beim Temeswarer
Jugendhaus, aus Oltenien. In Jahrmarkt haben sie sich kennengelernt
und geheiratet. „Am Anfang wohnten wir einige Zeit bei der Wes
Schuster Liss in Untermiete. Sie war uns wie eine Großmutter.
Kuchen backen habe ich von der Wess Anna Kronenberger gelernt.
Vor nunmehr zehn Jahren haben wir dieses Haus gekauft und
eingerichtet. Wie sie sehen, ist alles für die Kerwei vorbereitet.
Ich freue mich schon darauf. Die Blechmusik wird auch durch unsere
Gasse ziehen und die Kerweibuben werden auch unser Haus betreten. Ich
würde nie Jahrmarkt mit Temeswar tauschen. Ich fühle mich in dieser
schönen Gemeinde zu Hause. Und eben darum kann ich jene Leute, die
nicht das Geringste dazu beitragen wollen, das Bestehende zu wahren
und zu erhalten, nicht verstehen. Ich sage es auch oft zu meinen
Nachbarn: Nimm doch mal den Besen in die Hand und kehre auch auf der
Gasse vor deinem Haus. Siehst du denn nicht, daß das alle so
machen?“ Eugenia Cătălina
erzählte uns auch von ihren Plänen,
wie sie das Haus weiter umgestalten und den Garten besser nutzen
will. Sie erzählte uns auch, daß
sie ihrem 12-jährigen Sohn eine Klarinette
gekauft hat. In welcher Kapelle er spielen
wird? „Beim Kaszner,
selbstverständlich.”
aus NEUER WEG, Bukarest,
24. Mai 1983
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen