Dienstag, 18. Mai 2021

Früchte kultureller Zusammenarbeit

Die BANATICA-Reihe des Kulturverbandes der Banater Deutschen ist mit ihren „Beiträgen zur deutschen Kultur“ den kulturinteressierten Banater Schwaben hinlänglich bekannt. Auch die 1997 erschienenen Ausgaben bestechen durch gut fundierte Beiträge zur Literatur, Mundart, Journalistik und zum Schulwesen der Banater Schwaben aus der Zeit ihres Bestehens als geschlossene Gemeinschaft in einem überschaubaren und namentlich genau bezeichneten geografischen Raum.
Beim Überblicken des Inhaltsverzeichnisses einer Zeitschrift kann sich bei einem wißbegierigen Leser oft schon beim Anblick bekannter Autorennamen ein Identifikationsgefühl mit einzelnen Themenbereichen oder gar mit der Zielsetzung der ganzen Publikation einstellen. Natürlich muß es dann nicht während des Lesens zu einer kritiklosen Gleichschaltung kommen. Das soll es auch gar nicht. Die veröffentlichten Texte in den BANATICA-Heften sind Information und Diskussionsstoff zugleich.
Namen wie Radegunde Täuber, Hans Dama, Hans Gehl, Horst Fassel u. a. dürften nicht nur einem kleinen, kulturbeflissenen Insiderkreis bekannt sein. Über ihre literarischen und kulturhistorischen Aktivitäten haben der NEUE WEG, die NEUE BANATER ZEITUNG und nicht zuletzt die BANATER POST stets berichtet. Eine Zeitung kann allerdings immer nur Hinweise auf bestimmte Referate oder wegen Platzmangel meist begrenzte Besprechungen von Kulturtagungen veröffentlichen. Eine Kulturzeitschrift hat aber die Möglichkeit, Aufsätze und gehaltene Vorträge integral abzudrucken, was eine indirekte Beteiligung eines viel größeren Interessentenkreises an Kulturveranstaltungen ermöglicht. Die BANATICA wird von ihrer grafischen Aufmachung her und besonders durch ihre Themenvielfalt dem Auftrag der Vermittlung von regionalen und ethnischen Kulturgütern als auch von südosteuropäischen Kulturinterferenzen gerecht. Dieses Ziel wird aber auch dadurch erreicht, daß genügend Seiten zu detaillierten Auseinandersetzungen mit einem Thema zur Verfügung stehen. So kann zum Beispiel Hans Gehl in der BANATICA 1/1997 auf 24 zweispaltigen Seiten die Besonderheiten der Temeswarer Umgangssprache unter die Lupe nehmen.
Das Verlassen des irgendwo und irgendwann an seine natürlichen Grenzen stoßenden stammesbezogenen Kulturbereichs – gleichzusetzen mit dem berühmten und oft so schwer zu werfenden Blick über den eigenen Tellerrand – ermöglicht es, daß BANATICA auch außerhalb der banatdeutschen Gemeinschaft wahrgenommen wird. Ein aussagekräftiges Beispiel dafür ist die BANATICA - Ausgabe 4/1996, die in Zusammenarbeit mit der Hans-Böckler-Stiftung herausgegeben wurde und den unerschöpflichen Themenbereich Nation der Ethnien? - Wege und Irrwege behandelt.
Hochinteressant, wie namhafte Rumänienkenner (Hans Bergel, Horst Fassel, William Totok), an Rumänien interessierte deutsche Intellektuelle (Stephan Behrmann, Sascha Bunge, Franz Herrmann, Wolfgang Nitsche, Nadja Rakowitz) und in Rumänien lebende Kulturschaffende (Gabriel Andreescu, Anca Hanna Derer, Titus Faschina, Zigu Ornea) die Situation der Rumänen und deren Minderheiten (Stand 1995) einschätzen. Der Band bietet gleichzeitig auch einen lesenswerten Streifzug durch die Geschichte einiger Ethnien Rumäniens.
Man sollte bei einer kurzen Betrachtung dieses BANATICA-Heftes vor allem eines nicht aus den Augen verlieren: Eine Zusammenarbeit zwischen einer Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (Hans Böckler) und einem von unserer Landsmannschaft unterstützten Kulturverband (der Banater Deutschen) läßt viele Vorurteile über Links- und Rechts-Pauschalierungen wanken.
Wolfgang Nitsche von der Abteilung Studienförderung, Referat Ost der Hans-Böckler-Stiftung, klärt im Vorwort dieser BANATICA auf: „Es geht […] um die Osterweiterung des Blicks von uns geförderter Studenten und Promovenden, und es ist erfreulich, daß diese Angebote genutzt werden. […] Das Thema Minderheitenpolitik als Gradmesser der demokratischen Entwicklung Rumäniens hat sich als ziemlich punktgenau formuliert erwiesen. […] Belegt wird durch die Beiträge dieses Heftes aber auch die Beschränktheit dieser Problemstellung; sie weisen an vielen Stellen über sie hinaus, hinaus in das weite Feld der Produktivität des Dissenses, der Produktivität der kulturellen Konkurrenz und Kooperation, des ungeheuren Reichtums, den die Pluralität der Ethnien bedeutet.“

Anton Potche

aus BANATER POST, München, 5. Mai 1998


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