Dienstag, 27. April 2021

20. Jahrhundert

Ich lese Goethes Balladen
und sonderlich ist mir zumute,
als sehe ich vollbeladene Wagen
mit Weinen und Früchten, nur guten.

Der Sänger
singt sein huldvolles Lied.
Der Schatzgräber
stammelt eine törichte Beschwörung.
Erlkönig:
Der Tod kommt, flieh Knabe, flieh!
Der König in Thule,
ein schöner Tod? Wohl nur die Krönung.

Könnte ich doch zurück,
hinein ins erdichtete Glück.
Leider strebt die Zeit nur vorwärts,
hat fürs Gewesene kein Herz.

In Glas und Eisen schließt man mich ein,
gibt mir keine Trauben, auch keinen Wein.
Zeitnot ist mein ewigʼ Schicksal,
statt Blumen und Vögel nur einsame Trübsal.

[Jahrmarkt, 1973]
Mark Jahr

aus DER DONAUSCHWABE, Aalen, 3. Mai 1998

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