Dienstag, 21. Januar 2020

Kohl läßt Rumänien im Regen stehen

Zum Artikel Washington legt sich in Frage neuer Nato-Mitglieder fest (Ausgabe vom 13. Juni 1997):
Die rumänische Regierung hat seit ihrem Amtsantritt im November 1996 einen wahren Marathonlauf mit dem erklärten Ziel „Nato-Beitritt“ gestartet, an dem sich selbst der in der Schweiz lebende Exkönig Mihai I. beteiligte. Jetzt scheint die Clinton-Administration den für die Rumänen angeblich so erstrebenswerten Zieleinlauf in die (weite?) Ferne gerückt zu haben. Das große Lamento ist ob dieser Entscheidung Washingtons, in der ersten Nato-Erweiterungsrunde nur Polen, Ungarn und Tschechien aufzunehmen, in Bukarest allerdings nicht ausgebrochen.
Warum dann die fieberhaften diplomatischen Bemühungen der Regierung? Das Land ist politisch stabil, eine Kriegsgefahr ist nicht erkennbar, und auch beim serbischen Nachbarn scheinen die Gemüter sich langsam zu beruhigen.
Eine Aufnahme in die Nato käme einer internationalen Anerkennung der Reformbestrebungen dieser Regierung gleich, die den von Altkommunisten und Nationalisten dominierten Reformgegnern den letzten Wind aus den Segeln nehmen würde. Aber die Regierung von Ciorbea hat trotz allem bereits von ihrer Nato-Kampagne profitiert. Die für Rumänien sehr wichtigen Nachbarschaftsverträge mit Ungarn und der Ukraine und die unmittelbar damit verbundene Entschärfung der nationalen Probleme des Landes wären ohne das Ziel „Nato-Beitritt“ so schnell nicht erreicht worden.
Zumindest befremdend mutet allerdings die Haltung der Bundesregierung zum Beitrittswunsch Rumäniens an. Während Frankreich, Italien und andere Nato-Partner sich klar für einen Beitritt Rumäniens in der ersten Runde der Nato-Erweiterung aussprachen, warteten Bundesaußenminister Klaus Kinkel und Bundeskanzler Helmut Kohl mit unbeholfenen Sympathiebekundungen auf. Dabei rühmt man sich, als erster westlich vom Eisernen Vorhang gelegener Staat diplomatische Beziehungen mit Rumänien aufgenommen zu haben. Wohlgemerkt, das war damals (1967) das Rumänien Ceaușescus. Die junge, christlich-demokratisch gesinnte Regierung in Bukarest läßt man heute im Regen stehen.
Anton Potche

aus DONAUKURIER, Ingolstadt, 24. Juni 1997

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