Alte Schriftstücke
künden vom Kolonistenalltag im Südosten
Franz Urban: Die deutsche
Besiedlung der Banater Großgemeinde Jahrmarkt – Jarmatha – in den Banater Akten
des Hofkammerarchivs Wien. Quellenedition, 1996; Hg.: HOG Jahrmarkt
Im Jahre
1754 ließ Jacob Blasius sich in
Jarmatha/Banat nieder. Er war schon damals kein Jüngling mehr, legte mit seinen
etwa 60 Lebensjahren aber noch einen erstaunlichen Unternehmensgeist an den
Tag. Es war ihm nämlich gelungen, „im Reiche“ 85 Familien zur Kolonisation im
Banat anzuwerben und auch dorthin zu „transportieren“.
Natürlich
erbrachte man auch in jener Zeit eine solche Leistung nicht ohne Vergütung.
Nach eigenen Angaben hat „Ihre Majestaet ihme es schriftl. beybringen zu lassen
geruhet“, daß er eine solche auch erhalten werde. Nur war es anscheinend um die
Zahlungsmoral der Wiener Finanzbehörden nicht besonders gut bestellt.
Jacob Blasius mußte lange auf sein Geld
warten, obwohl er ein redlicher, ja sogar zu besonderen Opfergängen bereiter
Untertan der k. u. k. Monarchie war. Aus purer Nächstenliebe hat er noch mit 62
Jahren (laut Ortssippenbuch der katholischen Pfarrgemeinde Jahrmarkt) „eine in
das Land gekommene Colonistin Wittib, welche keine Grund-Stücke angewiesen bekommen
mit 5 Kindern geheyrathet“, damit auch diese Familie in den Besitz von Grund
und Boden komme. Aber auch hier schien nicht alles nach Recht und Gesetz
gelaufen zu sein.
Im
Mai 1767 ist dem Jacob Blasius dann
wohl der Kragen geplatzt, denn er beschwerte sich bei der „Temesvarer
Landes-Administration“ und forderte sowohl seinen Anwerberlohn als auch „einen
hinlänglichen Grund“, der „auf seinen noch nicht verheyratheten ältesten
Stiefsohn Wilhelm Klein von 24jährigem Alter zu übertragen“ sei.
Ja,
der Mann erdreiste sich sogar, den „Herrn Administrations Rath v. Plasch“ als
Zeuge der geschilderten Sachverhalte zu nennen und vergaß nicht, mit einem
unüberhörbaren Vorwurf im Unterton zu erwähnen, daß der Herr Administrationsrat
noch Unterlagen von ihm habe, „welche er (Blasius,
A.d.V.) nebst einer Verbescheydung wiederum zurück erbittet.“
Nun
ist dieser wackere Jacob Blasius
beileibe keine Sagenfigur aus irgendeinem banatbezogenen literarischen Stoff.
Familienforscher begegnen ihm immerhin in vier Werken zur Siedlungsgeschichte
des Banats: Pfarrer Franz Demele – Temesgyarmat, Innsbruck 1913; Dr. Franz Wilhelm & Dr. Josef Kallbrunner - Quellen zur deutschen Siedlungsgeschichte in Südosteuropa, München;
Stefan Stade - Ortssippenbuch der katholischen Pfarrgemeinde Jahrmarkt im Banat, 1985;
Isabella Regényi & Karl F. Waldner - Siedler der Gemeinde Jahrmarkt.
Daß
wir jetzt aber Einzelheiten aus seinem Leben erfahren, verdanken wir dem aus Jahrmarkt
stammenden Oberstudienrat, Prof. i. R. Franz
Urban, der in Seitenstetten/Niederösterreich lebt. Im Wiener
Hofkammerarchiv hat der unermüdliche Schriftquellenforscher 45 für die
Kolonisation des Banats bedeutsame Schriftstücke gefunden, die nun in der
Veröffentlichungsreihe „Jahrmarkter Heimatblätter“ von der HOG Jahrmarkt
(Vorstand: Hans Frombach) als
Sammelband in DIN A4-Format herausgebracht wurden.
Die
in Transkription – also für jedermann lesbar – wiedergegebenen Protokolle
gewähren einen Gesamtüberblick über die Kolonisationspolitik Maria Theresias in Südosteuropa und
deren Verlauf, schildern aber auch erschütternde Einzelschicksale von Jahrmarkter
Siedlern. Dieses Buch ermöglicht es jedem geschichtsbewußten Donauschwaben,
unmittelbar zu den Anfängen unseres Werdens als deutsche Volksgruppe
vorzustoßen. Aber auch für andere, besonders junge Menschen – Schüler und
Studenten -, die Näheres über den Versuch, ein vereintes (leider nicht auch
geeintes) Europa unter habsburgischer Krone zu schaffen, erfahren wollen,
könnte das vorliegende, in Großschrift verfaßte Buch nützlich sein.
Mark Jahr
aus
DER DONAUSCHWABE, Aalen, 23. Februar 1997
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen