Dienstag, 16. Juli 2019

Ein nützliches Buch

Alte Schriftstücke künden vom Kolonistenalltag im Südosten

Franz Urban: Die deutsche Besiedlung der Banater Großgemeinde Jahrmarkt – Jarmatha – in den Banater Akten des Hofkammerarchivs Wien. Quellenedition, 1996; Hg.: HOG Jahrmarkt
Im Jahre 1754 ließ Jacob Blasius sich in Jarmatha/Banat nieder. Er war schon damals kein Jüngling mehr, legte mit seinen etwa 60 Lebensjahren aber noch einen erstaunlichen Unternehmensgeist an den Tag. Es war ihm nämlich gelungen, „im Reiche“ 85 Familien zur Kolonisation im Banat anzuwerben und auch dorthin zu „transportieren“.
Natürlich erbrachte man auch in jener Zeit eine solche Leistung nicht ohne Vergütung. Nach eigenen Angaben hat „Ihre Majestaet ihme es schriftl. beybringen zu lassen geruhet“, daß er eine solche auch erhalten werde. Nur war es anscheinend um die Zahlungsmoral der Wiener Finanzbehörden nicht besonders gut bestellt.
Jacob Blasius mußte lange auf sein Geld warten, obwohl er ein redlicher, ja sogar zu besonderen Opfergängen bereiter Untertan der k. u. k. Monarchie war. Aus purer Nächstenliebe hat er noch mit 62 Jahren (laut Ortssippenbuch der katholischen Pfarrgemeinde Jahrmarkt) „eine in das Land gekommene Colonistin Wittib, welche keine Grund-Stücke angewiesen bekommen mit 5 Kindern geheyrathet“, damit auch diese Familie in den Besitz von Grund und Boden komme. Aber auch hier schien nicht alles nach Recht und Gesetz gelaufen zu sein.
Im Mai 1767 ist dem Jacob Blasius dann wohl der Kragen geplatzt, denn er beschwerte sich bei der „Temesvarer Landes-Administration“ und forderte sowohl seinen Anwerberlohn als auch „einen hinlänglichen Grund“, der „auf seinen noch nicht verheyratheten ältesten Stiefsohn Wilhelm Klein von 24jährigem Alter zu übertragen“ sei.
Ja, der Mann erdreiste sich sogar, den „Herrn Administrations Rath v. Plasch“ als Zeuge der geschilderten Sachverhalte zu nennen und vergaß nicht, mit einem unüberhörbaren Vorwurf im Unterton zu erwähnen, daß der Herr Administrationsrat noch Unterlagen von ihm habe, „welche er (Blasius, A.d.V.) nebst einer Verbescheydung wiederum zurück erbittet.“
Nun ist dieser wackere Jacob Blasius beileibe keine Sagenfigur aus irgendeinem banatbezogenen literarischen Stoff. Familienforscher begegnen ihm immerhin in vier Werken zur Siedlungsgeschichte des Banats: Pfarrer Franz DemeleTemesgyarmat, Innsbruck 1913; Dr. Franz Wilhelm & Dr. Josef Kallbrunner - Quellen zur deutschen Siedlungsgeschichte in Südosteuropa, München; Stefan Stade - Ortssippenbuch der katholischen Pfarrgemeinde Jahrmarkt im Banat, 1985; Isabella Regényi & Karl F. Waldner - Siedler der Gemeinde Jahrmarkt.
Daß wir jetzt aber Einzelheiten aus seinem Leben erfahren, verdanken wir dem aus Jahrmarkt stammenden Oberstudienrat, Prof. i. R. Franz Urban, der in Seitenstetten/Niederösterreich lebt. Im Wiener Hofkammerarchiv hat der unermüdliche Schriftquellenforscher 45 für die Kolonisation des Banats bedeutsame Schriftstücke gefunden, die nun in der Veröffentlichungsreihe „Jahrmarkter Heimatblätter“ von der HOG Jahrmarkt (Vorstand: Hans Frombach) als Sammelband in DIN A4-Format herausgebracht wurden.
Die in Transkription – also für jedermann lesbar – wiedergegebenen Protokolle gewähren einen Gesamtüberblick über die Kolonisationspolitik Maria Theresias in Südosteuropa und deren Verlauf, schildern aber auch erschütternde Einzelschicksale von Jahrmarkter Siedlern. Dieses Buch ermöglicht es jedem geschichtsbewußten Donauschwaben, unmittelbar zu den Anfängen unseres Werdens als deutsche Volksgruppe vorzustoßen. Aber auch für andere, besonders junge Menschen – Schüler und Studenten -, die Näheres über den Versuch, ein vereintes (leider nicht auch geeintes) Europa unter habsburgischer Krone zu schaffen, erfahren wollen, könnte das vorliegende, in Großschrift verfaßte Buch nützlich sein. 
Mark Jahr

aus DER DONAUSCHWABE, Aalen, 23. Februar 1997

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