Berufsmusiker spielen zum ersten Mal
gemeinsam auf
Ein außergewöhnliches
Blasmusikkonzert fand im Rahmen der 8. Kultur- und Heimattage der Banater
Schwaben in Würzburg statt. Versucht man den Entstehungsprozeß einer solchen
Kulturproduktion chronologisch festzuhalten, so muß man gerechtigkeitshalber
zuerst nach den Köpfen Ausschau halten, in denen die Idee dazu entstanden ist.
Schon vor vielen Monaten träumten unruhige Geister unserer landsmannschaftlichen
Führungsgremien, vor allem Peter Krier und Franz Andor, von einem
Blasmusikkonzert. Das Außergewöhnliche dieser noch vagen Vorstellungen lag in
der Substanz, die das Orchester auszeichnen sollte. Man stellte sich ein
Blasorchester vor, dessen Mitglieder aus dem Banat stammen, zumindest ein
Musiklyzeum/-gymnasium besucht haben und zur Zeit haupt- oder nebenberuflich als
Musiker/-innen tätig sind. Das klang natürlich gleich nach einem künstlerisch
hochdotierten Profi-Ensemble, das es bekanntermaßen ja nicht gibt, aber - und
hier ruht der wertvolle Kern des Urbildes - für ein Konzert entstehen könnte.
Als dann an einem Sonntagmorgen Peter Krier die Telefonnummer von
Mathias Loris wählte, hatte er die richtige Intuition, denn auch im
Hinterkopf dieses in der Jahrmarkter Blasmusiktradition tief verwurzelten
Musiklehrers schlummerte schon lange ein ähnlicher Gedanke. Der Funke zündete.
Loris ließ seinem organisatorischen Talent freien Lauf - worüber sich mit
Sicherheit sogar die Deutsche Telekom freute - und brachte ein 36 Frau/Mann
starkes Blasorchester auf die Bühne des Congress Centrums Würzburg.
Aus allen Teilen Deutschlands,
von Celle bis Bad Reichenhall, waren die Musiker/-innen an diesem
hochsommerlichen 8.Juli angereist. Was sie dann vorfanden, war kein kühler,
konzentrationsfördernder Konzertraum, sondern ein an der Sonnenseite gelegener,
40 qm großer Umkleideraum, in dem sich eine unerträgliche Hitze staute und der
als Proberaum genutzt werden mußte.
15.00 Uhr. Die Probe beginnt.
Die ersten Takte klingen unsicher. Man kennt sich zwar, muß sich aber
musikalisch aneinander gewöhnen. Loris ermuntert, gibt selbst einen
zögerlichen Einsatz zu. Schließlich ist das nicht seine Kapelle. Hier sitzen
ebenbürtige Kollegen. Der Dirigentenstab hämmert aufs Pult. Noch einmal von A,
doch ohne dal segno. Die Zeit drängt. es wird immer besser. Musik entsteht,
beginnt trotz der unmenschlichen Schwüle zu klingen, schön zu klingen. Die Tür
zum Korridor steht offen, um ein wenig Durchzug zu schaffen. Eine vorbeieilende
Frau - alle scheinen es an diesem Nachmittag eilig zu haben - bleibt brüsk
stehen, lauscht, wirft einen Blick in den übervollen Raum und wendet sich an
einen friedlichen Kiebitz: "Do kriet mer jo Gensehaut." Und das bei diesen
Temperaturen.
Dann Pause. Endlich bringt
jemand Getränke. Was hier abläuft, kommt einem Wunder gleich. Kaum einer
schimpft, obwohl Grund genug da wäre. Zum Meckern ist keine Zeit. Erzählen,
fragen, informieren, Meinungen austauschen, Erinnerungen auffrischen. Da
stehen doch wahrlich drei Klarinettisten beisammen und jagen irgendwelche
Tonleiter durch ihre mit komplizierter Mechanik bestückten Holzröhren. "Der
Neu war schon immer Schnell", zollt Stritt seinem Kollegen
Anerkennung. Die vergessen alles um sich, wenn's um die Musik geht. Irrsinn!
Der schönste der Welt.
Probe, zweiter Teil. Böhmische
Blasmusik. Man kommt schneller voran. Die Solisten sind gänzlich verschwunden.
Ein Klangkörper ist entstanden, zusammengeschweißt im wahrsten Sinne des Wortes.
Foto: Helmut Graf |
21:00 Uhr. Mit einstündiger
Verspätung - Politik beeinflußt unser Leben - beginnt das Konzert. Was nach
einem bereits bewältigten Zwölf-Stunden-Tag mit Tanz, Marsch, Lied und Festreden
wohl niemand mehr für möglich gehalten hätte, trat wirklich ein. Das Auditorium
wurde aufmerksam. Schon die imposante dreistufige Orchesterarchitektur -
Loris kennt sich aus - fesselte die Blicke. Die Fanfare in Marschform
von Josef Ascher (1829 bis 1869) gibt den Musikern die nötige Sicherheit.
Es klingt gut, kompakt, berauschend im Fortissimo, gefühlvoll im Pianissimo.
Sogar die einzige Flöte kommt durch. Gut. Das Programm ist anspruchsvoll, ohne
die Zuhörer zu strapazieren. Franz von Suppés (1819 bis 1895) Ouvertüre
Leichte Kavallerie erklingt sehr nuanciert. Man spürt das professionelle
Musizieren besonders in den Tempi und in der breiten Lautstärkenpalette.
Der Konzertmarsch Zum
Königstein von Richard Bartzer und der Walzer Du mein Banater Land
von Nikolaus Maser können jedes Blasmusikrepertoire bereichern.
Mathias Loris hat zweifelsohne eine richtige Auswahl getroffen, als er sich
für die zwei Banater Komponisten entschied. Auch die hervorragende Darbietung
des rumänischen Liedes Lino, Leano von Nicolae Ursu kommt beim Publikum
gut an. Die Orchesterfassung dieser "motive populare româneşti"
hat Loris selbst geschrieben.
Wie künstlerisch produktiv die
jüngste Musikergeneration - die das Banat noch bewußt als geographische Heimat
erlebt hat - ist, zeigen die Kompositionen von Franz Watz, Günther
Friedmann und Mathias Loris. Ihre Walzer, Polkas und Märsche legen
ein klares Zeugnis von der Sensibilität der Banater Schwaben für egerländer und
böhmische Blasmusik ab. Franz Watz ist aber in La Donna divina
auch als ein Meister der Blasmusikklassik zu erkennen.
22:30 Uhr. Konzertende.
Rhythmischer Applaus. "Zugabe! Zugabe!" Zwei folgen: Alte Kameraden und
Radetzky-Marsch. Peter Krier, Geschäftsführender
Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben, bedankt sich. Seine
Idee wurde Wirklichkeit. Sein Dank, unser aller Dank und besondere Wertschätzung
für eine hervorragende künstlerische Leistung gebührt den Musiker/-innen. Flöte:
Helga Konyen (Banater Heimatort: Blumenthal, jetzige Wirkungsstätte:
Musikschule Gerlingen); Klarinette und Saxophon: Richard Beisser (Großjetscha,
Musikschule Schwäbisch Hall), Helmut Jung (Hatzfeld, Musikschule
Raunheim), Walter Kindl (Deutschbentschek, Apian Gymnasium Ingolstadt),
Martin Metz (Lugosch, Musikschule Sack), Johann Neu (Sackelhausen,
Musikschule Ulm), Horst Reiter (Großjetscha, Musikschule Emmendingen),
Otto Schmitz (Reschitz, Musikschule Ravensburg), Toni Schneider (Warjasch,
Musikschule Trier), Josef Stritt (Saderlach, Musikschule Altensteig),
Gerhard Stubner (Steierdorf, Musikschule Traunstein); Fagott: Traian Doru
Murgu (Orawitza, Musikschule Lörrach); Flügelhorn und Trompete: Nikolaus
Loris (Jahrmarkt, Engagementmusiker Karlsruhe), Peter Maser
(Lenauheim, Musikschule Oldenburg), Josef Maurer (Hellburg, Musikschule
Großberg), Karl Nagy (Temeswar, Musikschule Weißenburg), Peter Pesch
(Jahrmarkt, ESWE-Werkorchester Wiesbaden), Hans Pitzer (Sackelhausen,
Polizeimusikkorps Mainz); Tenorhorn und Bariton: Hans Breika (Temeswar,
Philharmonie Ludwigshafen), Hans Kassner (Jahrmarkt, Polizeiorchester
Wiesbaden), Helmut Pop (Dreispitz, Polizeiorchester Wiesbaden), Josef
Wanyer (Jahrmarkt, Schwabenblaskapelle Rastatt); Posaunen: Uwe Schummer
(Temeswar, Philharmonisches Orchester Bad Reichenhall), Georg Hromadka sen.
(Temeswar, Rentner), Georg Reith (Deutschbentschek, Polizeimusikkorps
Mainz); Waldhorn: Werner Gaug (Dreispitz, Polizeiorchester Wiesbaden),
Hanno Hehn (Bogarosch, Audi-Werkorchester Ingolstadt), Michael Marki
(Gilad, Musikschule Villingen-Schwenningen), Nikolaus Reinlein
(Marienfeld, Musikschule Weißenburg), Franz Weissgerber (Tschene,
Polizeimusikkorps Mainz); Baß: Alfred Bürger (Lowrin, Musikschule Celle),
Heini Degrell (Triebswetter, Musikschule Rielasingen), Alfred Sutter
(Deutschbentschek, Musikschule Aalen); Rhythmusgruppe: Georg Hromadka jun.
(Temeswar, Musikschule Heidelberg), Viorica Siminescu (Buchenland,
Musikschule Passau), Eckhart Stromer (Chicago-USA / Eltern aus Ulmbach,
Student Konservatorium Würzburg); Dirigent: Mathias Loris (Jahrmarkt,
Musikschule Ludwigshafen).
Anton Potche
aus
BANATER POST, München,
5. August 1995
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen