Gott sei's Dank! es ist vorbei, das
große Spektakel, das kein Spektakel zuließ und das man gemeinhin Fußball-WM 1994
nannte. Spektakel auf dem Rasen war strengstens untersagt. Wer es wagte,
spektakulär zu dribbeln, zu paßen oder gar Tore als Krönung spektakulärer
Fußballspielzüge zu schießen, wurde schnellstens von seinem Trainer ermahnt.
Taktik war angesagt. Taktik als höchstes Fußballgebot mußten alle Kicker dieser
WM beherzigen.
Da gab es dann allerdings einige Jungs
aus der Wüste, dem Urwald und aus den Karpaten, die wollten am Anfang partout
nicht kapieren, was Taktik im Fußball bedeutet. Sie dribbelten und paßten,
rannten und spielten aus Vergnügen, wie ihre augenblickliche Eingebung es eben
wollte. Und siehe da: Sie schossen Tore, viel zu viele, zum Verdruß aller
Fußballwissenschaftler. Aber ihre Trainer reagierten prompt und brachten ihnen
das taktische Fußballgeschiebe bei. Folglich gaben sie das Spielen auf und
widmeten sich dem Denken. Umgehend stellten sich die Niederlagen ein und alles
verlief im vorgegebenen Lot.
Zum Schluß blieben die besten
Taktierer im rennen. In einem wahnsinnig denkanstrengenden Fußballmarathon
philosophierten 22 Fußballmillionäre vor den Augen der ganzen Welt, ob es
überhaupt sinnvoll sei, in der regulären Spielzeit - noch immer 90 Minuten, ließ
ich mir sagen - ein Tor zu schießen. Es gelang ihnen, auch den letzten
Langsamdenkern begreiflich zu machen, was taktisches Fußballspielen bedeutet.
Leider mußte ich bei dieser
Zeitlupenfußball-Lehrstunde passen und habe folglich bis heute den Sinn dieser
umwerfenden Taktik nicht begriffen. Ich schlief in der zweiten Spielhälfte des
großen Finales leider ein.
Die Fußballgötter mögen mir verzeihen!
Es war ja so schwül an jenem Julisonntagabend.
aus BANATER
POST,
München,
20. August 1994
20. August 1994
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