Zum Beitrag "Ein schönes Land, noch
am Rande Europas: Eindrücke von einer Reise nach Rumänien" (21. Juni 1994).
Prälat
Wilhelm Reitzer erwähnt in seinen Eindrücken von einer Reise nach Rumänien
auch die Zwangsintegration der griechisch-katholischen Christen in die
staatstreue orthodoxe Landeskirche. Durch ein Regierungsdekret wurde am 1.
Dezember 1948 nicht nur die "Unierte Kirche des byzantinischen Ritus", wie diese
nunmehr 250 Jahre alte griechisch-katholische Kirche offiziell hieß, mit all
ihren Institutionen und Körperschaften aufgehoben, sondern ihre sechs Bischöfe
mußten schwere Haftstrafen in den berüchtigten Umerziehungsanstalten von Sighet
und Gherla hinnehmen. Drei von ihnen haben den physischen und psychischen Terror
der kommunistischen Umerzieher nicht überlebt. Die anderen drei mußten nach
schweren Kerkerjahren ihren Lebensabend in orthodoxen Klöstern verbringen - eine
an Zynismus wohl kaum überbietbare Maßnahme der atheistischen Regierung in
Bukarest.
Julius
Hossu war der letzte Bischof der unierten Kirchenhierarchie bis zum Sturz
des kommunistischen Regimes (1989). Erst drei Jahre nach seinem Tod ehrte der
OSSERVATORE ROMANO vom 5./6. März 1973 den Märtyrerbischof "als Symbol und
Repräsentant des Glaubens vieler Bischöfe, Priester, Mönche und Gläubigen der
rumänischen Kirche des byzantinischen Ritus". Hat der Vatikan seine politischen
Möglichkeiten auch voll ausgeschöpft, um diese ihr treue Kirche oder wenigstens
ihre Bischöfe und Priester zu retten, muß man sich heute fragen. Schließlich
hatte der Kirchenstaat damals ja einen Nuntius in der Person des Amerikaners
O'Hara in Bukarest. Diesem werfen Geschichtsschreiber aber
Interesselosigkeit am politischen Geschäft vor.
Dem
Regierungsdekret vom 1. Dezember 1948 war bereits am 4. August des gleichen
Jahres ein anderes Religionsdekret vorausgegangen, in dessen Artikel 41 es hieß:
"Keine Kultgemeinschaft kann vom Ausland her über Gläubige des rumänischen
Staates Jurisdiktion ausüben." Das hieß de facto, daß man auch die
römisch-katholische Kirche dem Einfluß des Papstes entziehen wollte. Die Art und
Weise, wie Rom darauf reagierte, bleibt auch heute für Kirchenhistoriker ein
Streitpunkt.
Während die
einen meinen, es wäre besser gewesen, mit dem atheistischen Regime in Bukarest
nach Kompromissen zu suchen, befürworten die anderen die von Papst Pius XII.
gewählte Alternative der Loyalitätsverweigerung gegenüber dem Regime.
Das trieb
auch die römisch-katholische Kirche in einen für ihre Bischöfe verheerenden
Konfrontationskurs, der in Rumänien um so brisanter war, da er hier zusätzlich
auch noch ein nationales Minderheitenproblem darstellte. Sowohl die Ungarn als
auch die Banater Schwaben sind römisch-katholisch.
Eine
Verhaftungswelle der Rom treuen Priester zog sich über mehrere Jahre hin. Der
Bischof von Siebenbürgen, Aaron Márton, Sohn einer Szekler Bauernfamilie
- die Szekler gehören zum Volk der Ungarn -, wurde 1949 verhaftet und verbüßte
eine sechsjährige schwere Kerkerstrafe. Von 1957 bis 1967 stand er unter
strengstem Hausarrest.
Auch die
deutschen Katholiken im Banat wurden ihrer Kirchenoberhäupter systematisch
beraubt. Als "Spione des Vatikan" - so die offizielle Version der rumänischen
Justiz - mußten sie unsägliches Leid in den Kerkern ertragen. Im Jahre 1950
wurde der damals 80jährige Diözesanbischof Dr. Augustin Pacha verhaftet.
Als er nach vier Jahren aus der Haft - davon neun Monate Einzelhaft - entlassen
wurde, war er blind.
Am 17.
Februar 1951 trat Bischof Dr. Adalbert Boros seinen Leidensweg durch die
Gefängnisse an, den er 13 Jahre lang beschreiten mußte. Im gleichen Jahr wurden
in Temeswar die Domherren Josef Pleß und Josef Nischbach
verhaftet. Auch die untere Priesterhierarchie der Banater Schwaben blieb von den
Verhaftungen nicht verschont. So verschwand beispielsweise Pfarrer Mathias
Bittenbinder 1951 für 10 Jahre hinter Gittern.
Am gleichen
Tag, als in Temeswar Bischof Boros seinen Märtyrerweg antreten mußte,
wurde in der Landeshauptstadt Bukarest der römisch-katholische Bischof Joseph
Schubert verhaftet. Auch er nahm für seine Loyalität zum Vatikan 13 Jahre
schwere Haft in Kauf. Als gebrochener Mensch, der sein Schicksal einer
verfehlten Ostpolitik des Vatikan zuschrieb, starb er am 4. April 1969 in
München.
Die
antichristlichen Maßnahmen der rumänischen Behörden trafen nicht nur die Kirche
der Banater Schwaben als Institution , sondern auch das sozial-karitative Wirken
ihrer Orden. So hieß es im 1. Artikel des Regierungserlasses Nr. 810 vom 1.
August 1949: "Im gesamten Gebiet der Volksrepublik Rumänien hören Zusammenschluß
und Organisation folgender römisch-katholischer Orden und Kongregationen und
alle Einrichtungen, die ihnen unterstellt sind, auf zu bestehen, sei es , daß
sie als juridische oder als faktische Vereinigung anerkannt sind." 15 Orden und
Kongregationen waren davon betroffen.
In Temeswar
wurde der von Mutter Theresia von Jesu Gerhardinger (geb. 20.6.1797 in
Stadtamhof bei Regensburg) gegründete und seit 1858 im Banat aktive Orden der
Armen Schulschwestern "de Notre Dame" aufgelöst. Am 18. August 1950 wurde
Priorin Dr. Hildegardis Wulff, Benediktinerin und Mitbegründerin der
Liobaschwestern in Freiburg, die 1927 ins Banat kam, von der Geheimpolizei
Securitate verhaftet und für zehn Jahre eingekerkert. Auch Schwester
Partricia B. Zimmermann mußte zehn Jahre lang im Gefängnis schmachten.
Die im Jahre
1893 in Ingolstadt geborene Notre-Dame-Schwester Maria Hadwigis Haberl
unterrichtete in jener unseligen Zeit im Temeswarer Notre-Dame-Kloster die
Fächer Deutsch und Sport. Auch sie blieb von den Repressionsmaßnahmen der
kommunistischen Machthaber nicht verschont und mußte zwei Jahre in einem
Internierungslager verbringen. Selbst dort soll sie angeblich Kinder
unterrichtet haben. Im Jahre 1949 wurde sie in die Bundesrepublik Deutschland
ausgewiesen, wo sie bis 1968 in Ravensburg neben Deutsch und Sport auch
Mathematik und Geschichte lehrte.
Die in
Ingolstadt lebende Mundartdichterin und Märchenerzählerin Gretl Eipert
und die in Reichertshofen beheimatete Schriftführerin der Vereinigung der
Banater Schwaben, Franziska Graf, gehörten zu den Schülerinnen von
Maria Hadwigis Haberl im Temeswarer Notre-Dame-Gymnasium. Beide sprechen
noch heute mit Bewunderung von den hervorragenden beruflichen und menschlichen
Qualitäten dieser bewundernswerten Ordensschwester, die am 20. Mai 1988 in
Ravensburg gestorben ist.
Papst
Johannes Paul II. wird in einem Buch mit den Worten zitiert: "Die Wahrheit
erlaubt es nicht, am Gegner zu zweifeln." Letztendlich hat die Wahrheit den
Kommunismus auch in Rumänien besiegt und läßt so im nachhinein, wenn auch erst
nach Jahrzehnten, das Martyrium vieler katholischer Kirchendiener/innen als Sieg
über die atheistische Weltanschauung erscheinen.
Anton
Potche
aus DONAUKURIER,
Ingolstadt, 29. Juli 1994
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