Wertvolle
Erinnerungen an den deutschen Osten
Die
Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen bringt seit 1982 die
"Ostdeutschen Gedenktage" heraus. Im Vorwort zu der Ausgabe 1991
heißt es: "Die Ostdeutschen Gedenktage 1991 vereinen in ihrem ersten Teil
63 Lebensbilder von Persönlichkeiten, die durch Herkunft oder Wirken dem
deutschsprachigen Osten verbunden gewesen sind. Die Lebensbilder sind
wissenschaftlich fundiert, richten sich aber an das breite Publikum... Die
Beiträge sind ganz unterschiedlich konzipiert, mal in der freien Form des
Essays, mal strenger lexikographisch, wie es dem jeweiligen Bearbeiter
angemessen erschien."
Das
klingt vielversprechend und der geschichtsbewußte Leser blättert erst
mal hastig, nach dem ihm vertrauten Kulturkreis suchend. Dabei eröffnet
sich ihm ein schier unendlicher Horizont an ostdeutscher Siedlungs-,
Kultur- und Literaturgeschichte. Biographien von Rittern, einem Kaiser,
Generälen und Marschällen, Politikern, Wissenschaftlern, Schriftstellern
und Dichtern, Historikern, Architekten, Malern und Musikern gewähren
Einblick in geschichtliche und kulturelle Ereignisse aus sechs
Jahrhunderten. Dem suchenden Banater Schwaben werden einige Namen vertraut
sein, und wenn er es nicht als zu schwärmerisch empfindet, das in der
Geschichte immer relevante "Was wäre, wenn..." in seine
Gedanken einfließen zu lassen, wird er mit Faszination bei der einen oder
anderen Persönlichkeit verweilen; so zum Beispiel bei den Männern, die
mit ihrem strategischen Denken und Lenken die Schlacht bei Königgrätz
(1866) wesentlich beeinflußt haben. Was wäre, wenn die Österreicher als
Sieger das Schlachtfeld verlassen hätten? Wir Banater Schwaben wären
damals wohl nicht endgültig von unserem Mutterland durch einen der vielen
Friedensversträge, die in jenen von Bruderkämpfen überschatteten Zeiten
abgeschlossen wurden - durch den Ausschluß Österreichs aus dem Deutschen
Bunde - getrennt worden. Was wäre, wenn...?
Der
Beitrag von Dr. Horst Fassel vom Institut für Donauschwäbische
Geschichte und Landeskunde in Tübingen zum 100. Geburtstag des in Karansebesch
geborenen Kulturhistorikers und Schriftstellers Rene Fülöp-Miller
vermittelt auch ein wenig multinationale Kulturatmosphäre aus dem Südosten
Europas während der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts. Rene Fülöp-Miller
schrieb seine Werke in deutscher, ungarischer, rumänischer und englischer
Sprache.
Hans
Damas Beitrag über den in Stuhlweißenburg (Ungarn) geborenen Architekten Nikolaus
Ybl, Monika Radeckis biographische Aufzeichnungen über den
Kronstädter Schriftsteller, Publizisten, Herausgeber und Mäzen Erik-Ernst
Schwabach (Pseudonym: Ernst Sylvester) sowie der von Ernst Wagner
verfaßte Lebenslauf des 1911 in Kronstadt geborenen und zur Zeit in München
lebenden Buchhändlers und Verlegers Hans Meschendörfer spannen den
Informationsbogen vom Pannonischen Raum bis jenseits der Karpaten. "850
Jahre seit der Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen" hat Michael Kroner
seinen Aufsatz betitelt. Zwei weitere Arbeiten von Konrad Gündisch
befassen sich mit dem "Leopoldinischen Diplom für Siebenbürgen" und
mit der St--Ladislaus-Probstei in Herrmannstadt.
So
kann man am Ende feststellen, daß südosteuropäische Persönlichkeiten und
Ereignisse ihre verdiente Würdigung in der Reihe der "Ostdeutschen
Gedenktage 1991" erfahren haben. Daß man in dem Buch Namen wie Claudius
Florimund Graf Mercy (325. Geburtstag), Franz Josef I. (75.
Geburtstag), stellvertretend für weitere erwähnenswertre Persönlichkeiten,
vermißt, wird eher an dem Mangel an Mitarbeitern als an den Redakteuren dieser
Ausgabe, Matthias Pape und Silke Spieler, liegen.
Ostdeutsche
Gedenktage 1991 ist unter der Nummer ISBN 3-88557-083-1 auch über den
Buchhandel bestellbar.
Anton
Potche
aus BANATER POST, München,
5. September 1991
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