In der Poiana Ruska wurde das größte Banater Folklorefest des Jahres gefeiert
Ein Bilderbericht von
Walther
Konschitzky
Das Tal am
Oberlauf der Bega in der Poiana Ruska ist für eine große
Freilichtveranstaltung wie geschaffen. Wie ein Riesenamphitheater öffnet sich
die Lichtung an einer Begakrümmung, die waldigen Berghänge sind als Zuschauertribünen
gut geeignet. Die Bewohner aus Tomeşti und Luncani hatten den Platz
vorzüglich gewählt und zu nützen gewußt, als sie hier eine Bühne und ein
Motel mit Schwimmbassin gebaut haben. In einer Rekordzeit von nur wenigen
Monaten wurde das Vorhaben ausgeführt. Am ersten Augustsonntag konnte das
Temescher Folklorefestival '74 im Liman-Tal steigen. Der große Platz erwies
sich an diesem Tag aber doch als zu klein, denn daß sich hier über 10.000
Menschen einfinden werden, damit hatten selbst die Optimisten nicht gerechnet.
Teodor
Chicinaş, der Bürgermeister von Tomeşti,
und Dumitru Preda, der Vorsitzende des Temescher Kreiskomitees für
Kultur und sozialistische Erziehung, begrüßten die Mitwirkenden und die
Zuschauer und kündigten an, daß dieses Fest nun in jedem Jahr hier in der
Poiana Ruska abgehalten werden soll.
Aus
allen ethnographischen Zonen des Kreises Temesch trafen am Morgen die
Trachtenträger und Kulturformationen aller Nationalitäten ein: aus den
Dörfern der Marosch-Niederung, aus den Ortschaften zwischen Temesch und Bega,
aus der Bergsau, aus der Lugoscher Gegend und aus den Bergdörfern am Fuß der
Poiana Ruska. Über vier Stunden währte das Kulturprogramm, das sie zusammen
bestritten, und das mit einer Liederfolge der vereinigten Chöre aus
Großsanktnikolaus, Racoviţa und Nadrag unter der Leitung von Prof. Mathias
Bernhardt eröffnet wurde. Von einem Hang kam die Trommler-Gruppe aus Brăneşti
ins Tal, umjubelt vom Beifall der Tausenden für ihre selten schöne, rhythmische
und mitreißende Darbietung auf einigen Dutzend Trommeln. Beifall und wieder
Beifall gab es dann über vier Stunden lang für die vielen Tänze, die Lieder
und Musikdarbietungen. Den größten Applaus jedoch ernteten die Flötenspieler
aus Dubeşti, Fatschet und Remetea Luncă,
der Dudelsackpfeifer Procofie Vasiescu, die schwäbische Volkstanzgruppe
aus Pietroasa Mare, geleitet von Maria Dippert, die ungarischen Tänze
aus Cruceni und Jimbolia, die serbische Tanzgruppe des Temesvarer
Maschinenbauwerks UMT und das Folkloreensemble aus Brăneşti
mit seiner Vorführung "Markt in Fatschet". In Lied, Spiel und Tanz
wurde die Atmosphäre eines Markttages von einst auf die Bühne gebracht, es
fehlte dabei auch der "Mann mit dem Tanzbären" nicht und die
traditionellen Volksbelustigungen bei solchem Anlaß. Was aber im besonderen
bewundert wurde, das war die Vielfalt der Trachtenstücke und Motive in der
Festkleidung dieses Dorfes und an der Vorführung die nuancierte Darstellung der
einzelnen Marktszenen. Zum Abschluss des Programms gaben die Blasmusikkapellen
aus Lenauheim und Jahrmarkt
Platzkonzerte.
Loris-Kapelle im Liman-Tal |
In einem Waldweg hatten sich die
Trachtenträger aller in diesem Landstrich lebenden Nationalitäten,
darunter auch die Träger der schwäbischen Trachten aus Darowa,
Jahrmarkt, Lenauheim, Liebling, Neupetsch, Nitzkydorf, Pişchia, Sanktandreas und Teremia Mare, zu einem
der größten und beeindruckendsten Trachtenzüge, die es je im Banat
gegeben hat, geformt. Unter den Rhythmen der Trommler aus Brăneşti
und der Märsche der Loris-Kapelle aus Jahrmarkt
zogen sie auf den
Festplatz. Die Festkleidung aus über 50 Ortschaften wurde sodann
vorgeführt und von einem Fachmann des Banater Museums erläutert, den
schönsten sollten am Nachmittag Preise verliehen werden. Die Jury hatte
es gewiß nicht leicht, aus der Vielzahl der wunderschönen Trachten die
originellsten und wertvollsten herauszufinden.
Umso
größer war der Beifall, als dann die Gewinner bekanntgegeben wurden, und
es spricht dafür, daß die Zuschauer mit der getroffenen Wahl
einverstanden waren. Preise wurden den rumänischen Trachten aus Buzad,
Bucovăţ, Coştei, Sipet und Mănăştur
zugesprochen, der schwäbischen Mädchentracht aus Nitzkydorf, dem
Kerweihut mit Sträußchen,
Bändern und Spiegel aus Neupetsch, der bulgarischen Brauttracht aus Dudeştii Vechi sowie der bulgarischen
Mädchentracht mit Goldfadenstickereien aus Breştia.Was man aber auf dem Festplatz noch zu hören bekam - und man hörte leise Bewunderung, aber auch unzweideutiges Mitgefühl heraus: Schade, daß den vielen Trägern von Schaffelleibchen und den Mädchen in den schweren schwäbischen Röcken keine Sonderpreise überreicht wurden, sie hätten sie nämlich für ihr Ausharren bei dieser Hitze redlich verdient.
Manchen Trachtenträger sah man kurz nach dem Aufmarsch in die Bega springen; hier im Liman-Tal ist sie noch ein kleiner Gebirgsbach, an diesem Tag jedoch ein geschätzter Badeplatz. Bis hinauf zur Forellenzüchterei bei Luncan konnte man die Gruppen sehen, die sich's am Begaufer bequem machten, als gelte es, wochenlang hier zu bleiben. Und man hielt aus; bis spät in die Nacht hinein hörte man Musik und Trubel im Tal, und mancher versprach sich's oder anderen, im nächsten Jahr in der Poiana Ruska wieder dabei zu sein.
aus NEUER WEG
KALENDER 1975, BUKAREST, 15. Oktober 1974
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