Dienstag, 9. Dezember 2025

Der achte schwäbische Trachtenball

[...]
So war es auch am Samstag. Bei hundert Paare sind in Tracht aufmarschiert und der Aufzug bot ein prachtvolles Bild, welches sich auch später im allgemeinen Tanz erhielt zur Freude aller Gäste, als die Blechmusik den schönen Ländler blies: Etwas for die Alte … […].
Während die Gäste sich allmählich versammelten, sorgte die auf der Bühne plazierte Orzydorfer Unterwegersche Musikkapelle mit fröhlichen Weisen für die Zerstreuung. Die in schwäbischer Tracht erschienenen Damen hatten sich in einem Nebenraum versammelt; folgende Besucherinnen waren in Tracht gekleidet: Frau Dr. Gabriel, Maria Beer, Rosa Beitz […]; Jahrmarkt: Anna Bosch, Manzi Willner; […]; Uivar: Marei Franz; Warjasch: Anna Engelmann.
Die farbenreichen Trachten aus allen Gauen des schwäbischen Banates – eine reizender und schöner als die andere – boten dem Zuschauer eine prachtvolle Augenweide.
Als die Trachten sich bereits versammelt hatten, war Dr. Franz Schmitz damit beschäftigt, den Kirchweihzug zusammenzustellen. […]. Die Sackelhausener Lorissche Kapelle hatte die Ehre, die jauchzenden Kirchweihpaare in den Saal zu führen, die vom angesammelten Publikum mit lebhaftem Applaus empfangen wurden.
Als die Paare den Saal unter klingendem Spiel und lauten Juchzern mehrmals durchzogen, begab sich das anmutige Frl. Hügel, das heuer im Auftrag der vorjährigen Vortänzerin, der in Newyork lebenden Anna Wambach, den Vorstrauß in geschmackvoller Weise schmückte, in Begleitung der beiden Geldherren auf die Bühne, um die Versteigerung desselben vorzunehmen. […]. Schließlich erstand der hiesige Zahnarzt Dr. Sattler den Strauß mit 11.000 Lei und verehrte ihn Frl. Rosa Beitz, der Tochter des hiesigen allgemein bekannten Spezereihändlers Nikolaus Beitz, die in ihrer Guttenbrunner Tracht eine überaus reizende Erscheinung war.
Tosender Beifall begrüßte das neue Vortänzerpaar in seiner neuen Würde. Sodann fand auf der Bühne der Tanz mit der Vortänzerin statt, die den schönen Rosmarinstrauß glücklich lächelnd in den Händen hochhielt. […].
Damit war der offizielle Teil des Balles beendet und die Gäste verteilten sich teilweise in den Nebenräumlichkeiten, teilweise im großen Saale des Militärkasinos und im Wintergarten des Hotels Ferdinand", womit der allgemeine Tanz seinen Anfang nahm. Im Kasino spielte die Lorissche Knabenkapelle, im „Kronprinz“ die Orzydorfer Unterwegersche Kapelle zum Tanz auf, der auf beiden Stellen in dieser Stimmung bis morgens halb 7 Uhr dauerte.
Wie alljährlich fand auch heuer eine Trachtenkonkurrenz statt, die folgendes Ergebnis hatte: den ersten Preis, einen vom Möbelfabrikanten Philipp Siebold gespendeten Damenschreibtisch aus Rosenholz, gewann Frl. Theresia Rieder aus Nitzkydorf mit 2300 Stimmen; […].

aus BANATER DEUTSCHE ZEITUNG, Timisoara=Temesvar, 1. Feber 1927

Dienstag, 2. Dezember 2025

Ohne Schlof

 - Gedicht im Johrmarker Dialekt -

Wann mei Oma, es Berns Lissje,

Naachts net schlofe kann,
Zählt se alle ehre
Kusine zamm.

Sie muss sich net quäle
Un ehre Gedanke an etwas verschwenne,
Sie kann geloss
An jemmand denke.

Meiner Oma geht ‘s besser wie mer

In ehrer schlofloser Naacht:
Sie kann mit verzich Kusine verzähle,
Ich norr mit oom bis in de Tach.

[Uf der Schanz, 1997]

Berns Toni

aus BANATER POST, München, 20. Februar 2001

Dienstag, 18. November 2025

Dienstag, 11. November 2025

Ein Weinlesefest der Heiratslustigen

Die heiratslustige Jugend aus Jahrmarkt veranstaltet zugunsten des „Roten Kreuz-Vereines“ Samstag, den 16. Oktober 1926, im Seibert‘schen Gasthause ein mit Konzert verbundenes Weinlesefest, bei dem die Loriß‘sche Kapelle, die Musik besorgt. Beginn halb 9 Uhr abends.

aus BANATER DEUTSCHE ZEITUNG, Temesvar, 13. Oktober 1926


Donnerstag, 6. November 2025

„Mag dein Stern sich strahlend heben“

Laut astronomischen Gesetzen können wir das Leuchten von Sternen noch lange nach ihrem physischen Verschwinden sehen. Während diese Himmelskörper schon längst untergegangen sind, ist das Licht, das sie einst ausstrahlten, noch immer zu uns unterwegs.
Wie weit waren sie damals, vor 100, 200 und mehr Jahren, von den Menschen ihrer Zeit entfernt, die Sterne am Literatur- und Musikfirmament? Reflektieren die Rezensionen jener Zeiten auch den Rezeptionsgrad ihrer Werke bei den jeweiligen Zeitgenossen, den Menschen, die nicht direkt in den Literatur- und Musikbetrieb involviert waren? Sahen die Menschen das Leuchten, das aus ihrer Mitte den Weg in die Zukunft antrat? Wir wissen es nicht genau. Gewiss ist aber, dass so manchen längst verblassten Sterns Licht unsere Gegenwart erreicht hat.
Seit 150 Jahren ist nunmehr das Licht des Lyriksterns Nikolaus Lenau unterwegs, und es gibt Gott sei Dank immer noch Menschen, die angekommene Lichtstrahlen des Genius‘ der Melancholie bündeln und uns in einer Zeit der kühlen Ratiodominanz zum Mitfühlen ermuntern. Christine Muranyi und Anton Bleiziffer sind zwei Beispiele dieses Menschenschlags, und sie zeichnen stellvertretend für den Freiburger Singkreis.
Diesmal steht ihre Signatur auf der Festschrift und der CD „Mag dein Stern sich strahlend heben – Zum 150. Todestag Nikolaus Lenaus – Zehn Jahre Freiburger Singkreis“. Beide, Festschrift und CD, sind in einer bescheidenen Creme-Farbe gehalten, und ihr Inhalt ist eine ehrfurchtsvolle Verneigung vor dem Werk des großen Naturlyrikers. Jede geografische Fessel sprengend, war Lenaus Werk eine stete Herausforderung an den ewigen Drang der Töne nach Freiheit.
Strahlende Sterne am Musikhimmel wie Robert Schumann, Franz List, Felix Mendelssohn-Bartholdy u.a. nahmen diese Herausforderung an, und in der BANATER POST vom 5. April ist aus der Feder von Andreas Hauser zu lesen: „Alles was ich hören wollte, das kam an. Schilflieder, Das Posthorn, Die drei Zigeuner, Bitte, An die Melancholie und all die anderen wurden rezitiert und vom Singkreis dargeboten, dass es eine Wonne war … Der gelungene Wechsel zwischen Gedicht, Lied, Kommentar und Lichtbild brachte einen Rhythmus hervor, der in mir den Wunsch aufkeimen ließ, das ganze würde so schnell nicht enden.“ Es muss auch nicht enden. Das Licht des Lenau-Sterns kann unsere Wohnzimmer zu jeder Stunde erhellen.
Der Freiburger Singkreis hat neun Lenau-Lieder auf eine CD aufgenommen. Die drei Zigeuner wurde von Theodor Meyer-Steineg vertont und Bitte erklingt in einem wunderschönen Kanon von Walter Michael Klepper. Zu weiteren sieben Lenau-Gedichten komponierte Anton Bleiziffer Lieder, die sich allerdings nicht an die Tradition des klassischen Liedguts anlehnen, sondern eher in eine Volksliedersammlung passen. Und da sind sie bestimmt in bester Gesellschaft. Wer denkt heute noch an Goethe und Schubert, wenn Heideröslein erklingt, oder an Claudius und Johann Peter Abraham Schulz (1747 – 1800), wenn es im Chortext heißt: „Der Mond ist aufgegangen, die goldenen Sternlein prangen am Himmel hell und klar.“
Klare Dreiviertel- und Viervierteltakt-Gliederungen deuten auf die Musikalität der Verse Lenaus hin. Das könnte auch damit zusammenhängen , dass der Dichter selbst ein hervorragender Musiker war. Es ist Bleiziffer gelungen, die Ehrlichkeit aus Lenaus Gemütslyrik in melodische Themen so einfließen zu lassen, dass sowohl das Wort als auch die musikalische Phrase ihre Aussagekraft beibehalten: Schon das erste Lied, An die Entfernte, kann als Überraschung gewertet werden. Die Idee, eine klare, aber wortlose Frauenstimme (die Entfernte) in Oktavenhöhe über sehnsüchtigen Männerstimmen schweben zu lassen, lässt sofort jeden Zweifel, dass hier vielleicht oberflächliche Lagerfeuerromantik erklingen könnte, erblassen. Bleiziffer wusste genau, was er in seinem Unterfangen der Lichtgestalt Lenau schuldet. Er hält dieses Verantwortungsbewusstsein auch bis zum Schluss durch, wenn eine Antwort auf die Frage „O Menschenherz, was ist dein Glück?“ in heller g-d-c Dur-Folge lautet: „Liebe, Friede, Glaube, Hoffnung, das ist Glück.“ Zu dem erlangten Glücksgefühl trägt in diesem Fall auch die gefühlvolle Akkordeonbegleitung des Komponisten selbst mit stellenweise ergreifend schönen Zwischenspielen und nicht zuletzt der klare, ausdrucksstarke, in jeder Lage verständliche Gesang des Freiburger Singkreises bei.
In der anfangs erwähnten Festschrift lesen wir einfühlsame Texte von Christine Muranyi, Gedichte, Bild- sowie Notenproduktionen und erhalten so auch Einblick in die Konzeption der in Freiburg bereits zur Tradition gereiften Antoni-Treffen der HOG Sanktanna.

Anton Potche

aus BANATER POST, München, 10. Dezember 2000