aus BANATER DEUTSCHE ZEITUNG, Timisoara=Temesvar, 1. Feber 1927
Textesammelsurium eines Banater Schwaben
Herzlich willkommen! Auf diesem Archiv-Blog finden Sie auch Veröffentlichungen von Anton Potche (Pseud.: Berns Toni, Anton Delagiarmata, Mark Jahr) in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern. Diese Texte sind im Label "- - - Chronologisches Inhaltsverzeichnis" vermerkt. Zu den anderen Texten finden Sie Hinweise im Label "In eigener Sache".
Dienstag, 9. Dezember 2025
Der achte schwäbische Trachtenball
[...]
So
war es auch am Samstag. Bei hundert Paare sind in Tracht
aufmarschiert und der Aufzug bot ein prachtvolles Bild, welches sich
auch später im allgemeinen Tanz erhielt zur Freude aller Gäste, als
die Blechmusik den schönen Ländler blies: Etwas for
die Alte … […].
Während
die Gäste sich allmählich versammelten, sorgte die auf der Bühne
plazierte Orzydorfer Unterwegersche Musikkapelle mit
fröhlichen Weisen für die Zerstreuung. Die in schwäbischer Tracht
erschienenen Damen hatten sich in einem Nebenraum versammelt;
folgende Besucherinnen waren in Tracht gekleidet: Frau Dr. Gabriel,
Maria Beer, Rosa Beitz […]; Jahrmarkt:
Anna Bosch, Manzi Willner; […]; Uivar:
Marei Franz; Warjasch: Anna Engelmann.
Die
farbenreichen Trachten aus allen Gauen des schwäbischen Banates –
eine reizender und schöner als die andere – boten dem Zuschauer
eine prachtvolle Augenweide.
Als
die Trachten sich bereits versammelt hatten, war Dr. Franz Schmitz
damit beschäftigt, den Kirchweihzug zusammenzustellen. […].
Die Sackelhausener Lorissche
Kapelle hatte die Ehre,
die jauchzenden Kirchweihpaare in den Saal zu führen, die vom
angesammelten Publikum mit lebhaftem Applaus empfangen wurden.
Als
die Paare den Saal unter klingendem Spiel und lauten
Juchzern mehrmals durchzogen, begab sich das anmutige Frl. Hügel,
das heuer im Auftrag der vorjährigen Vortänzerin, der in Newyork
lebenden Anna Wambach, den Vorstrauß in geschmackvoller Weise
schmückte, in Begleitung der beiden Geldherren auf die Bühne, um
die Versteigerung desselben vorzunehmen. […]. Schließlich
erstand der hiesige Zahnarzt Dr. Sattler den Strauß mit
11.000 Lei und verehrte ihn Frl. Rosa Beitz, der Tochter des
hiesigen allgemein bekannten Spezereihändlers Nikolaus Beitz,
die in ihrer Guttenbrunner Tracht eine überaus reizende Erscheinung
war.
Tosender
Beifall begrüßte das neue Vortänzerpaar in seiner neuen Würde.
Sodann fand auf der Bühne der Tanz mit der Vortänzerin
statt, die den schönen Rosmarinstrauß glücklich lächelnd in den
Händen hochhielt. […].
Damit
war der offizielle Teil des Balles beendet und die Gäste verteilten
sich teilweise in den Nebenräumlichkeiten, teilweise im großen
Saale des Militärkasinos und im Wintergarten des Hotels „Ferdinand",
womit der allgemeine Tanz seinen Anfang nahm. Im Kasino spielte die
Lorissche Knabenkapelle,
im „Kronprinz“ die Orzydorfer Unterwegersche Kapelle
zum Tanz auf, der auf beiden Stellen in dieser Stimmung bis morgens
halb 7 Uhr dauerte.
Wie
alljährlich fand auch heuer eine Trachtenkonkurrenz
statt, die folgendes Ergebnis hatte: den ersten Preis, einen vom
Möbelfabrikanten Philipp
Siebold
gespendeten Damenschreibtisch aus
Rosenholz, gewann Frl. Theresia
Rieder aus
Nitzkydorf mit 2300 Stimmen; […].
Dienstag, 2. Dezember 2025
Ohne Schlof
- Gedicht im Johrmarker Dialekt -
Wann mei Oma, es Berns Lissje,
Naachts net schlofe kann,
Zählt se alle ehre
Kusine zamm.
Sie muss sich net quäle
Un ehre Gedanke an etwas
verschwenne,
Sie kann geloss
An jemmand denke.
Meiner Oma geht ‘s besser wie mer
In ehrer schlofloser Naacht:
Sie kann mit verzich Kusine
verzähle,
Ich norr mit oom bis in de Tach.
[Uf der Schanz, 1997]
Berns Toni
aus BANATER POST, München, 20. Februar 2001
Dienstag, 18. November 2025
Johrmarker Sprich un Sprichelcher - 216
Ingebildt is net ausgebildt.
☻ ۩ ☺
Gsammelt vum Frombach Franz alias Gerwer Franz (1929 - 1999)
Dienstag, 11. November 2025
Ein Weinlesefest der Heiratslustigen
Die
heiratslustige Jugend aus Jahrmarkt veranstaltet zugunsten des „Roten
Kreuz-Vereines“ Samstag, den 16. Oktober 1926, im Seibert‘schen
Gasthause ein mit Konzert verbundenes Weinlesefest, bei dem die
Loriߑsche Kapelle, die
Musik besorgt. Beginn halb 9 Uhr abends.
aus BANATER DEUTSCHE ZEITUNG, Temesvar, 13. Oktober 1926
Donnerstag, 6. November 2025
„Mag dein Stern sich strahlend heben“
Laut
astronomischen Gesetzen können wir das Leuchten von Sternen noch
lange nach ihrem physischen Verschwinden sehen. Während diese
Himmelskörper schon längst untergegangen sind, ist das Licht, das
sie einst ausstrahlten, noch immer zu uns unterwegs.
Wie
weit waren sie damals, vor 100, 200 und mehr Jahren, von den Menschen
ihrer Zeit entfernt, die Sterne am Literatur- und Musikfirmament?
Reflektieren die Rezensionen jener Zeiten auch den Rezeptionsgrad
ihrer Werke bei den jeweiligen Zeitgenossen, den Menschen, die nicht
direkt in den Literatur- und Musikbetrieb involviert waren? Sahen die
Menschen das Leuchten, das aus ihrer Mitte den Weg in die Zukunft
antrat? Wir wissen es nicht genau. Gewiss ist aber, dass so manchen
längst verblassten Sterns Licht unsere Gegenwart erreicht hat.
Seit
150 Jahren ist nunmehr das Licht des Lyriksterns Nikolaus Lenau
unterwegs, und es gibt Gott sei Dank immer noch Menschen, die
angekommene Lichtstrahlen des Genius‘ der Melancholie bündeln und
uns in einer Zeit der kühlen Ratiodominanz zum Mitfühlen ermuntern.
Christine Muranyi und Anton Bleiziffer sind zwei
Beispiele dieses Menschenschlags, und sie zeichnen stellvertretend
für den Freiburger Singkreis.
Diesmal
steht ihre Signatur auf der Festschrift und der CD „Mag dein Stern
sich strahlend heben – Zum 150. Todestag Nikolaus Lenaus – Zehn
Jahre Freiburger Singkreis“. Beide, Festschrift und CD, sind in
einer bescheidenen Creme-Farbe gehalten, und ihr Inhalt ist eine
ehrfurchtsvolle Verneigung vor dem Werk des großen Naturlyrikers.
Jede geografische Fessel sprengend, war Lenaus Werk eine stete
Herausforderung an den ewigen Drang der Töne nach Freiheit.
Strahlende
Sterne am Musikhimmel wie Robert Schumann, Franz
List, Felix Mendelssohn-Bartholdy u.a. nahmen
diese Herausforderung an, und in der BANATER POST vom 5. April ist
aus der Feder von Andreas Hauser zu lesen: „Alles was ich
hören wollte, das kam an. Schilflieder, Das Posthorn,
Die drei Zigeuner, Bitte, An die
Melancholie und all die anderen wurden rezitiert und vom
Singkreis dargeboten, dass es eine Wonne war … Der
gelungene Wechsel zwischen Gedicht, Lied, Kommentar und Lichtbild
brachte einen Rhythmus hervor, der in mir den Wunsch aufkeimen ließ,
das ganze würde so schnell nicht enden.“ Es muss auch nicht enden.
Das Licht des Lenau-Sterns kann unsere Wohnzimmer zu jeder Stunde
erhellen.
Der
Freiburger Singkreis hat neun
Lenau-Lieder auf eine CD aufgenommen. Die drei Zigeuner
wurde von Theodor Meyer-Steineg vertont und Bitte
erklingt in einem wunderschönen Kanon von Walter Michael Klepper.
Zu weiteren sieben Lenau-Gedichten komponierte Anton Bleiziffer
Lieder, die sich allerdings nicht an die Tradition des klassischen
Liedguts anlehnen, sondern eher in eine Volksliedersammlung passen.
Und da sind sie bestimmt in bester Gesellschaft. Wer denkt heute noch
an Goethe und Schubert, wenn Heideröslein
erklingt, oder an Claudius und Johann Peter Abraham Schulz
(1747 – 1800), wenn es im Chortext heißt: „Der Mond ist
aufgegangen, die goldenen Sternlein prangen am Himmel hell und klar.“
Klare
Dreiviertel- und Viervierteltakt-Gliederungen deuten auf die
Musikalität der Verse Lenaus hin. Das könnte auch damit
zusammenhängen , dass der Dichter selbst ein hervorragender Musiker
war. Es ist Bleiziffer gelungen, die Ehrlichkeit aus Lenaus
Gemütslyrik in melodische Themen so einfließen zu lassen, dass
sowohl das Wort als auch die musikalische Phrase ihre Aussagekraft
beibehalten: Schon das erste Lied, An die Entfernte,
kann als Überraschung gewertet werden. Die Idee, eine klare, aber
wortlose Frauenstimme (die Entfernte) in Oktavenhöhe über
sehnsüchtigen Männerstimmen schweben zu lassen, lässt sofort jeden
Zweifel, dass hier vielleicht oberflächliche Lagerfeuerromantik
erklingen könnte, erblassen. Bleiziffer wusste genau, was er
in seinem Unterfangen der Lichtgestalt Lenau schuldet. Er hält
dieses Verantwortungsbewusstsein auch bis zum Schluss durch, wenn
eine Antwort auf die Frage „O Menschenherz, was ist dein Glück?“
in heller g-d-c Dur-Folge lautet: „Liebe, Friede, Glaube, Hoffnung,
das ist Glück.“ Zu dem erlangten Glücksgefühl trägt in diesem
Fall auch die gefühlvolle Akkordeonbegleitung des
Komponisten selbst mit stellenweise ergreifend schönen
Zwischenspielen und nicht zuletzt der klare, ausdrucksstarke, in
jeder Lage verständliche Gesang des Freiburger
Singkreises bei.
In der anfangs erwähnten
Festschrift lesen wir einfühlsame Texte von Christine
Muranyi, Gedichte, Bild- sowie Notenproduktionen und erhalten
so auch Einblick in die Konzeption der in Freiburg bereits zur
Tradition gereiften Antoni-Treffen der HOG Sanktanna.
Anton Potche
aus BANATER POST, München, 10. Dezember 2000
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