Dienstag, 3. Juli 2018

Bühnenerfolge auf der ganzen Welt

Nikolaus Wolcz inszenierte in Ingolstadt Cyrano de Bergerac

Degenhelden gab es zu seiner Zeit bestimmt mehrere in Paris, aber sicher keinen, der mit gleichem Geschick auch Liebesbriefe aus seiner Schreibfeder zaubern konnte. Cyrano de Bergerac hieß der degenschwingende Romancier, den seine Kameraden „einen Dämon der Tapferkeit“ nannten, und der um 1640 in Paris sein Unwesen trieb. Um aber unsterblich zu werden, reichten weder seine Waffentaten noch sein Roman Mondstaaten oder die auf Kardinal Mazarin zielenden Spottgedichte aus. Es war seine große Nase, die dem streitbaren und liebessüchtigen Gascogner zum Leben nach dem Tode verhalf. Sie ist in der Phantasie eines genialen südfranzösischen Dichters übernatürlich geraten und trägt die Schuld für unbefriedigte Liebe und fabelhafte Rechtfertigungsduelle.
Edmond Rostand verhalf so Cyrano mit unrühmlichem Ruhm zu neuem Glanz. Im Jahre 1897 veröffentlichte er die romantische Komödie Cyrano de Bergerac, die auch heute noch Theaterfans in freudige Erregung versetzt.
Ingolstadts Theaterintendant Wolfram Krempel hat seine erste, sehr erfolgreich verlaufene Saison in der Donaustadt mit der Freilichtaufführung des Cyrano de Bergerac beendet. Ort der lustigen Liebesgeschichte ohne Happyend war 1996 der klassizistische Turm Baur am südlichen Donauufer.
Die Regie dieser gewollt opernhaft geratenen Inszenierung hatte er einem Regisseur anvertraut, der bereits erfolgreiche Musiktheateraufführungen in Wien, Paris und London auf die Bretter gebracht hat. Nikolaus Wolcz konnte seine reiche Erfahrung im Gestalten sowohl räumlich als auch inhaltlich groß angelegter Bühnenstücke voll in der Ingolstädter Aufführung einbringen. 95 Akteure boten ein buntes Bild des französischen Gesellschaftslebens zur Zeit der beiden Ludwigs, des XIII. und des XIV. Es ist bei dieser Menge von Darstellern in ständigem Kommen und Gehen und bei oft schnell wechselnden Szenenbildern viel Geschick für die Kristallisation des Wesentlichen gefragt, um die Handlung vom regen Drumherum nicht verwischen zu lassen.
Da zeigte sich dann, daß Nikolaus Wolcz nicht umsonst sein Talent bei Liviu Ciulei an der Bukarester Theater- und Filmhochschule „Ion Luca Caragiale“ schleifen ließ und durch viele Inszenierungen an den zwei größten Bühnen der rumänischen Hauptstadt, des National- und des Munizipaltheaters, aber auch während seiner Arbeit an mehreren Filmen einen ungemein scharfen Kunstsinn für derlei Aufführungen entwickelt hat. Das Publikum und auch die Kritiker waren von Wolcz’ Cyrano begeistert. Die platonische Liebe blieb während der fast dreistündigen Darbietung der glühende Kern des Geschehens, der die Sinne betäubte und bei der fantastischen Doppel-Liebeserklärung der zwei Kadetten Cyrano de Bergerac und Christian de Neuvillette unter dem Balkon ihrer angebeteten Roxana bei aufgehendem (auch natürlichem) Mond den Eindruck vermittelte, daß jegliches Atmen im klassizistischen Natursteinoval ausgesetzt habe.
Dies war aber nur einer der Höhepunkte, in denen es dem 1944 in der Temeswarer Josefstadt geborenen Schauspieler, Theater und Opernregisseur gelungen ist, Poesie pur in Wort, Bild und Handlung zu vereinigen. „Bei aller optischer Qualität jedoch ist der beeindruckendste Teil der Inszenierung von Nikolaus Wolcz seine beinahe musikalische Behandlung der Tempi. Und die stellt er harmonisch in den Dienst einer Sprache, die – was selten genug ist – durch ihr Versmaß nicht gebremst oder domestiziert erscheint, sondern im Gegenteil unglaublich schwingend und beschwingt, humorvoll und auf satirische Weise ‚kalauernd‘ wirkt.“ So schwelgte nach der Premiere (22. Juni, bei unverschämter Kälte) der DONAUKURIER –Feuilletonist Michael Schmatloch.
Die Rollenbesetzung war optimal und für den Cyrano in dem Neuzugang des Ingolstädter Theaters, Thomas Schneider, ideal. Mit Friedrich Schilha (hervorragend als Comte de Guiche) und Robert Schüpfer (Taschendieb) hatten aber auch zwei weitere aus dem Banat stammende Darsteller Teil am Erfolg dieses Freilichtschauspiels.

Nikolaus Wolcz
Foto: atelierunum.blogspot.com
Wolcz kam, inszenierte und siegte. Für ihn waren es sieben Wochen Arbeit fürs tägliche Brot. Aber die Früchte seiner Arbeit genossen noch viele Menschen, die das Ideal der reinen, humorvollen und doch so tragischen Liebe mitempfinden wollten, als er auch diese Städte des schnelllebigen Theaterruhms schon wieder verlassen hatte.
Auf seine überaus ersprießliche Theater- und Opernarbeit angesprochen meinte Nikolaus Wolcz, der in den siebziger Jahren auch am Deutschen Theater in Temeswar drei Stücke auf die Bühne gebracht hat, mit einem unverfälschten Zungenschlag: „Na aber jetz’, werd’ ich doch langsam alt.“ Sprach’s, packte seine Koffer und machte sich auf den Flug in die Staaten, wo er ab sofort eine sechsjährige Professur als Chef der Schauspielabteilung an der Columbia University in New York begleiten wird.
Tja, das nennt man wohl Josefstädter Humor.
 Anton Potche
aus BANATER POST, 20. August 1996

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