Dienstag, 4. Februar 2025

Faszination einer Gruppenausstellung

 Die 12. Internationalen Kulturtage Ingolstadts wurden heuer mit Hermannstädter Kunstwerken eröffnet

Die Faszination einer Gruppenausstellung liegt unter anderem in der Vielfalt der gezeigten Kunstobjekte. Vielfältigkeit strömt sowohl aus der Verschiedenheit der Kunstarten (verwendete Materialien und Techniken) als auch aus der subjektiven Darstellungsweise der einzelnen Künstler. Kommt die Mehrheit der Kunstschaffenden dann auch noch aus einem anderen Land, jeweils von dem immer neugierig machenden Ruf eines Repräsentanten einer „fremden“ Kultur begleitet, dann sind im Vorfeld schon ein Großteil der Prämissen für eine gelungene Ausstellung geschaffen. Müssen schließlich aber auch noch sämtliche Stadträte einer deutschen Großstadt mit ca. 115.000 Einwohner diese Ausstellung auf ihrem Weg in den Sitzungssaal des Rathauses passieren, dann kann man zusätzlich von der sprichwörtlich glücklichen Organisatorenhand sprechen, die ja wesentlich zum Erfolg einer Kunstausstellung beitragen kann. (Das heißt natürlich nicht, dass auch alle Stadtparlamentarier sich garantiert die Zeit nehmen, einige Minuten durch die Reihen der Stellwände zu schlendern.)
38 Arbeiten von 16 bildenden Künstlern, die mit Ausnahme der Malerin und Grafikerin Sieglinde Bottesch (geb. in Hermannstadt / Sibiu; lebt in Ingolstadt) alle in Rumänien zu Hause sind, gelang es, durch diese Voraussetzungen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu fokussieren. Die vom 22. Mai bis zum 9. Juni im Foyer des Ingolstädter Rathauses gezeigten Arbeiten bilden einen Querschnitt der Kunsternte, die im Laufe vieler Jahre unter der Ägide des Verbandes der Bildenden Künstler Hermannstadt gereift ist.
Ob zerklüftete Felspartien oder der in nächtlichem Nebel imponierende Brukenthalpalast, ob der leidende Gekreuzigte oder die zu Boden fließenden Tränen, die Quelle oder das Amselnest, eine Symbiose aus Melodie und Bewegung, und gleich daneben das Kräuteruniversum im weiblichen Körper, ob die vom Ölpinsel auf Leinwand gezogenen chromatischen Studien oder die Sein-oder-nicht-sein-Fantasien, sie und alle anderen mehr oder weniger direkt ansprechenden oder die Vorstellungskraft des Betrachters beflügelnden Themen unterstreichen die fließenden Grenzen zwischen regionaler und internationaler Kunst. „Fremdes, Eindrücke von anderswo“, aus einer „künstlerischen Welt, die vielleicht narrativer, mystischer und naturverbundener ist als unsere“, will ein Ingolstädter Feuilletonist erkannt haben. Wohl wahr, wenn ich mir die Colografien Eugen Dornescus anschaue, aber ebenso widerlegbar, wenn man die eine oder andere Arbeit der Maler/innen Nicolae Barcan, Angela Delmondo, Constantin Ilea, Vera Marcu, Febus Viorel Ștefănescu, Marian Verya, der Bildhauer Gavril Abrihan, Ion Cândea, Septimiu Enghiș, Mircea Ignat, der Grafiker Alexandru Jakabhazy und Stefan Orth, sowie der Dekorationskünstler/in Ion Tamaian und Veronica Costea betrachtet. Sie sind den gängigen Stilrichtung problemlos zuzuordnen und besonders die Arbeiten der jüngeren Künstler liegen im internationalen Trend der jeweiligen Kunstart.
Die Welt ist bunt – Ingolstadt international“ nannte sich der Veranstaltungsmarathon, der mit dieser Ausstellung eröffnet wurde. Dass die geistige und materielle Welt aber nicht nur in den Werken der ausstellenden Künstler bunt ist, sondern auch im Lebens- und Arbeitsalltag der Künstler selbst, hob der Präsident der Hermannstädter Künstlervereinigung, Stefan Orth, während der Vernissage hervor und schilderte die prekäre materielle Situation der Kunstszene in Rumänien.
Es ist immer schwer, die Resonanz öffentlicher Ausstellungen, bei denen keine Eintrittskarten vergeben werden, einzuschätzen. Einen Teil der Ingolstädter Bevölkerung für die bildende Kunst aus Hermannstadt im besonderen und der aus Rumänien im allgemeinen sensibilisiert zu haben, dürfte den Organisatoren dieser Ausstellung (Kulturamt der Stadt Ingolstadt und Verband der Bildenden Künstler Hermannstadt) auf jeden Fall gelungen sein.
Mark Jahr

aus KARPATENRUNDSCHAU, Kronstadt, 24. Juni 2000

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