Die 12. Internationalen Kulturtage Ingolstadts wurden heuer mit Hermannstädter Kunstwerken eröffnet
Die
Faszination einer Gruppenausstellung liegt unter anderem in der
Vielfalt der gezeigten Kunstobjekte. Vielfältigkeit strömt sowohl
aus der Verschiedenheit der Kunstarten (verwendete Materialien und
Techniken) als auch aus der subjektiven Darstellungsweise der
einzelnen Künstler. Kommt die Mehrheit der Kunstschaffenden dann
auch noch aus einem anderen Land, jeweils von dem immer neugierig
machenden Ruf eines Repräsentanten einer „fremden“ Kultur
begleitet, dann sind im Vorfeld schon ein Großteil der Prämissen
für eine gelungene Ausstellung geschaffen. Müssen schließlich aber
auch noch sämtliche Stadträte einer deutschen Großstadt mit ca.
115.000 Einwohner diese Ausstellung auf ihrem Weg in den Sitzungssaal
des Rathauses passieren, dann kann man zusätzlich von der
sprichwörtlich glücklichen Organisatorenhand sprechen, die ja
wesentlich zum Erfolg einer Kunstausstellung beitragen kann. (Das
heißt natürlich nicht, dass auch alle Stadtparlamentarier sich
garantiert die Zeit nehmen, einige Minuten durch die Reihen der
Stellwände zu schlendern.)
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Arbeiten von 16 bildenden Künstlern, die mit Ausnahme der Malerin
und Grafikerin Sieglinde Bottesch (geb. in Hermannstadt /
Sibiu; lebt in Ingolstadt) alle in Rumänien zu Hause sind, gelang
es, durch diese Voraussetzungen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit
zu fokussieren. Die vom 22. Mai bis zum 9. Juni im Foyer des
Ingolstädter Rathauses gezeigten Arbeiten bilden einen Querschnitt
der Kunsternte, die im Laufe vieler Jahre unter der Ägide des
Verbandes der Bildenden Künstler Hermannstadt gereift
ist.
Ob
zerklüftete Felspartien oder der in nächtlichem Nebel imponierende
Brukenthalpalast, ob der leidende Gekreuzigte oder die zu Boden
fließenden Tränen, die Quelle oder das Amselnest, eine Symbiose aus
Melodie und Bewegung, und gleich daneben das Kräuteruniversum im
weiblichen Körper, ob die vom Ölpinsel auf Leinwand gezogenen
chromatischen Studien oder die Sein-oder-nicht-sein-Fantasien, sie
und alle anderen mehr oder weniger direkt ansprechenden oder die
Vorstellungskraft des Betrachters beflügelnden Themen unterstreichen
die fließenden Grenzen zwischen regionaler und internationaler
Kunst. „Fremdes, Eindrücke von anderswo“, aus einer
„künstlerischen Welt, die vielleicht narrativer, mystischer und
naturverbundener ist als unsere“, will ein Ingolstädter
Feuilletonist erkannt haben. Wohl wahr, wenn ich mir die Colografien
Eugen Dornescus anschaue, aber ebenso widerlegbar, wenn man
die eine oder andere Arbeit der Maler/innen Nicolae Barcan,
Angela Delmondo, Constantin Ilea, Vera Marcu,
Febus Viorel Ștefănescu,
Marian Verya,
der Bildhauer Gavril Abrihan,
Ion Cândea,
Septimiu Enghiș,
Mircea Ignat,
der Grafiker Alexandru Jakabhazy
und Stefan Orth,
sowie der Dekorationskünstler/in Ion
Tamaian und Veronica Costea betrachtet. Sie
sind den gängigen Stilrichtung problemlos zuzuordnen und besonders
die Arbeiten der jüngeren Künstler liegen im internationalen Trend
der jeweiligen Kunstart.
„Die
Welt ist bunt – Ingolstadt international“ nannte sich der
Veranstaltungsmarathon, der mit dieser Ausstellung eröffnet wurde.
Dass die geistige und materielle Welt aber nicht nur in den Werken
der ausstellenden Künstler bunt ist, sondern auch im Lebens- und
Arbeitsalltag der Künstler selbst, hob der Präsident der
Hermannstädter Künstlervereinigung, Stefan Orth, während
der Vernissage hervor und schilderte die prekäre materielle
Situation der Kunstszene in Rumänien.
Es
ist immer schwer, die Resonanz öffentlicher Ausstellungen, bei denen
keine Eintrittskarten vergeben werden, einzuschätzen. Einen Teil der
Ingolstädter Bevölkerung für die bildende Kunst aus Hermannstadt
im besonderen und der aus Rumänien im allgemeinen sensibilisiert zu
haben, dürfte den Organisatoren dieser Ausstellung (Kulturamt der
Stadt Ingolstadt und Verband der Bildenden Künstler Hermannstadt)
auf jeden Fall gelungen sein.
Mark Jahr
aus KARPATENRUNDSCHAU, Kronstadt, 24. Juni 2000
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