Dienstag, 6. Februar 2024

Naumannsche Sparmethoden

Sparen, sparen, sparen. 30 Milliarden Mark müssen es sein, sagt Finanzminister Hans Eichel (SPD). Angesichts der leeren Staatskassen ein bestimmt hehres und von allen, auch von der Opposition, als notwendig erachtetes Ziel.
Alle müssen sparen, quer durch die Ministerien und ebenso durch die Republik. Das Resultat dieser Devise konnte in einem Wohlstandsland nur eines sein: Aufschreie des Entsetzens aus allen deutschen Landen und aus allen Bevölkerungsschichten. Sparen ja, aber doch bitte nicht bei uns, sagen Arbeitnehmer, klagen Arbeitgeber, zetern Beamte, ängstigen sich Rentner, philosophieren Professoren und, und, und.
Also wo beginnen mit dem Kürzen? Da liegt der Hund begraben. Unsere SPD/Grünen-Oberen (Wer hat die bloß gewählt? Plötzlich will es niemand gewesen sein!) verhalten sich bei der Suche nach einigermaßen rechtfertigbaren Lösungen durchaus natürlich, wie die Elemente unserer Umwelt . Sucht das Wasser sich nicht immer den einfachsten, also den widerstandsärmsten Weg ins Tal? So auch Politiker, die unter dem Zwang des Handelns stehen. Es gilt, die großen Felsblöcke auf dem Weg ins Tal der Tränen mit so wenig Substanzverlust wie möglich zu umschiffen.
Arbeitnehmer, Arbeitgeber, die Ärzteschaft sowie das immer größer und als Wahlpotential stärker werdende Heer der Rentner sind schwer überwindbare Sparhürden. Also muss hier mit großer Sorgfalt und viel Überzeugungskraft vorgegangen werden. Wen mag es da noch wundern, wenn Verbände ohne oder mit einer schwachen Lobby vom Strudel des Sparstroms mit in die Tiefe gerissen werden, und zwar so brutal, dass sie sogar in ihrer kulturellen Eigenständigkeit gefährdet werden. Die Landsmannschaften gehören zu diesen leicht wegspülbaren Steinchen im soziokulturellen Gefüge der deutschen Gesellschaft.
Bei dieser Bevölkerungsschicht scheint keine besondere Rücksicht geboten zu sein. Man kürzt einfach nach Gutsherrenart, ohne sich weiter um kurz- und langfristige Folgen dieses Vorganges zu kümmern.
Es soll hier durchaus nicht mit parteipolitischem Gedankengut manipuliert werden. Denken wir nur an die Einschnitte im Fremdrentengesetz. Da wollten sich CDU/CSU und FDP auch eine goldene Nase verdienen. Die paar Groschen mehr im Haushalt konnten es damals ja wohl nicht ausgemacht haben, aber in der Gunst einiger Wählerschichten durfte man vielleicht punkten. SPD und Bündnis/90 Die Grüne handeln genau nach dem gleichen Prinzip: Wo der Widerstand schwach ist, wird nicht lange gefackelt und einfach gekürzt.
Bei unseren Rentnern ist nicht mehr viel zu holen, also wendet man sich der Kultur zu. Was uns Aussiedlern an den Plänen zur Kürzung der Fördermittel für die Kulturarbeit der Vertriebenenverbände aufstößt, ist vor allem die Art und Weise, wie Staatsminister Dr. Michael Naumann mit dem erhaltenswerten Kulturgut, das außerhalb unserer jetzigen Staatsgrenzen entstanden ist, umgeht. Einfach Museen und Kulturhäuser zusammenzuschließen, ohne sich vorher mit den fachkompetenten Trägern dieser Institutionen zu beraten, ist schlicht und einfach unprofessionell. Dem Verlagsspezialisten Naumann darf man ruhig sagen, dass hier Fusionsorgien, wie sie zurzeit auch im Verlagswesen gefeiert werden, unangebracht sind. Die Kultur muss für die Menschen erreichbar bleiben. Sie muss für den Einzelnen nach zumutbaren Fahrzeiten zugänglich sein. Bei den Vertriebenen und Aussiedlern ist das schon darum schwierig, weil sie über das ganze Bundesgebiet verstreut wohnen, während ihre Kulturhäuser / Museen nur in wenigen, weit voneinander entfernten Städten liegen. Das ist eine verständliche Folge ihrer Einbürgerungsgeschichte der zurückliegenden 50 Jahre.
Eben darum brauchen die Landsmannschaften ihre hauptamtlichen Kulturreferenten, um das Kulturbedürfnis der Vertriebenen und Aussiedler flächendeckend zu befriedigen, und nicht zuletzt um bundesweit, mal in München und mal in Düsseldorf oder wo immer es möglich ist, in die Öffentlichkeit zu wirken. Nur so wird die kulturelle Vielfalt der Sudeten-, Ost- und Südostdeutschen auch eine Bereicherung für dieses Land sein.
Es geht um unsere ureigenste deutsche Kultur, um nicht mehr und nicht weniger. Wenn trotz aller rigoroser Sparmaßnahmen in Berlin noch eine halbe Million Mark Zuwendungen für einen Fußball-Entwicklungshelfer in Kenia lockergemacht werden (nur eine von 483 in der Wirtschaftszeitung AKTIV als „teils gut getarnt“ apostrophierte Zuwendungen mit einem Volumen von sage und schreibe 34,6 Milliarden Mark), so müsste für die Kulturarbeit der Vertriebenen und Aussiedler doch wirklich ein vernünftiges Finanzierungskonzept gefunden werden können. Gerade jetzt sollte der Kulturbeauftragte der Bundesregierung uns nicht nach dem Geschichtsverständnis des Wadlbeißers aus dem Saarland als „Paragraphen-Deutsche“ behandeln, sondern unseren Beitrag zur deutschen Kultur entsprechend würdigen und unterstützen.

Anton Potche

aus BANATER POST, München, 5. November 1999

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