Dienstag, 10. Januar 2023

Überraschende Einzelheiten über Schag

 Dritte Folge des Schager Heimatboten

Franziska Graf (Redaktion): Die Temesch – Schager Heimatbote Nr. 3; Herausgeber: Heimatortsgemeinschaft Schag, Dez. 1998
Konsequenz heißt vor allem, sich und seinen Vorsätzen treu zu bleiben. Franziska Graf hat sich vor sechs Jahren vorgenommen, ihren Schager Landsleuten einen Boten, also einen Nachrichtenüberbringer, im Zweijahresrhythmus zu schicken; zumindest so lange, als dies finanziell noch verantwortbar ist. Ihr gestecktes Ziel konsequent verfolgend, hat sie auch dem dritten Heimatboten der Schager (Erscheinungsdatum: Dezember 1998) Leben eingeflößt. 
Auf 144 Seiten präsentiert die Broschüre in klarer Gliederung Berichte über Schager Ereignisse im Banat und in Deutschland und stellt herausragende Lebensmomente sowie Errungenschaften einiger Landsleute vor. Die Kurzbiographie des (erst) mit 39 Jahren zum Priester geweihten Pfarrers Horst Tritz ist ebenso bemerkenswert wie der wirtschaftliche Erfolg der Eheleute Anna (geb. Taugner) und Thomas Weiter, den Gründern des „Marienfelderhofs“ in der Pfalz. 
Fünf Reproduktionen von Aquarellen und weitere zwei von Zeichnungen des 1885 in Schag geborenen Lehrers und Kantors Josef Schweininger führen uns auf die Spur eines Künstlers, der es bestimmt verdient, der Anonymität entrissen zu werden. Zu seiner Person erfahren wir höchst interessante und, bezogen auf die damalige Zeit, überraschende und vor allem erfreuliche Einzelheiten. 
Als 1996 der gebürtige Schager Nikolaus Mayer in Die Temesch Nr. 2 seine Kindheitserinnerungen so vortrefflich zu Papier brachte, daß der damalige Rezensent des Heftes ihn vor lauter Begeisterung mit Caragiale statt mit Creangă (wie bei lustigen Kindheitserinnerungen natürlich angebracht) verglich, konnte er nicht ahnen, daß auch andere Zeitgenossen von dem Stoff so angetan sein werden und eine Landsmännin dem Autor sogar eine Biographie in Mundart und Versen widmen wird. Katharina Ochsenfeld ist die Autorin dieses bestimmt nicht alltäglichen und vor allem lesenswerten Geschenkes „Zum Geburtstag“. 
Nikolaus Mayer selbst kommt auch in der jetzigen Ausgabe des Schager Heimatboten mit den Erinnerungsschilderungen Die Flucht und Die Auswanderer zu Wort. Trotz seiner munteren Erzählweise verliert der erste Text nichts von seinem tragischen Tiefgang – besonders jetzt, im Fernsehangesicht der Kosovo-Ereignisse. Umso reizender, mit scharfer Beobachtungsgabe und der weisen Ironie des Lebensalters niedergeschrieben, offenbart sich uns im zweiten Text eine Welt, die auch heute, mehr als 30 Jahre nach ihrem Aus-dem-Boden-Stampfen, noch fremde Besucher begeistert: die Donauschwabensiedlung „Entre Rios“ in Brasilien. 
Wie aufrichtig Nikolaus Mayers wahrhaft jugendlich gebliebene Begeisterung für dieses unendliche Land ist, können wir vielleicht am besten begreifen, wenn wir uns eine Notiz des Ingolstädter DONAUKURIER vom 13. Dezember des letzten Jahres vor Augen führen: „Hans Metzger, CSU-Stadtrat und Vorsitzender der Banater Schwaben, hat Verbindungen zu seinen donauschwäbischen Landsleuten in Brasilien geknüpft. Im Rahmen eines Arbeitsaufenthaltes bei Audi in Curitiba besuchte Metzger die Siedlung Entre Rios, >um zu sehen, wie unsere Donauschwaben es wieder geschafft haben, sich eine neue Heimat und Existenz aufzubauen<. Der Ingolstädter war bei einer Familie zu Gast, die nicht weniger als 3500 Hektar Land bewirtschaftet.“ Wer Metzger nach dessen Rückkehr aus Brasilien von Entre Rios erzählen hörte, spürte etwas von dem Feuer, das der Blick in die Weite der kultivierten Steppenlandschaft auch in ihm angefacht hat. 
Ebenso wie bei Nikolaus Mayer schwang etwas von Heidestimmung mit, und man hat nach der Lektüre des vorliegenden Mayer-Textes den Eindruck, daß sich zufällig (oder schicksalhaft?) Phantasiekreise schließen. Die gleichen Wurzeln können über Generationen und ganz verschiedene Lebensläufe hinweg ähnliche Gefühlsströme auslösen. Nikolaus Mayer kann solche Ströme sehr anschaulich wiedergeben, und Franziska Graf hat es nicht versäumt, seinen Brasilienerinnerungen durch Fotos auch einen dokumentarischen Wert zu verleihen. 
Nachdem Dr. Gerhardt Hochstrasser geschichtliche Fakten zum Thema Temesch und Schag in gewohnt präziser und sachkundiger Manier präsentiert, mündet Die Temesch, einige Gedicht-Inseln von Katharina Mallinger-Ochsenfeld, Eugen Philips, Lotte Wilhelm, Adam Müller-Guttenbrunn und Hans Slavik umspülend, in ein Bildermeer, das bei den Betrachtern bestimmt so manche Gefühlswellen an den Erinnerungsgestaden brechen wird.

Anton Potche

aus BANATER POST, München, 10. Juli 1999


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