Dienstag, 6. Dezember 2022

Unser Schwowisch is for uns so wie die Sunn

 Zum Tode des Mundartdichters Franz Frombach


Der Jahrmarkter Mundartdichter Franz Frombach ist mit dem Sonnenuntergang des 19. April im Alter von 69 Jahren gestorben. Er war ein Mann des Wortes, vor allem des zur Verinnerlichung gedachten, des geschriebenen Wortes. Wie hätte es auch anders sein können in einem Dorf, in dem die Töne des Blechs schon immer schriller als jene der sanften Sprache klangen? 
Ein Spätberufener? Oder nur ein Mensch, der die instanzenhaften Wege durch Verlagskorridore scheute? Immerhin, Franz Frombach war schon 60 Jahre alt, als Die Phingstnägelcher aus‘m Banat – in Jahrmarkter Mundart angenehm duftend in unseren Buchregalen auftauchten. 
Und da schwangen plötzlich Saiten einer Dichterseele durch den Blütenzauber, der alle, die sich seinem Duft hingaben, sonderbar berührte. „Stellt eier Rose mit der Kristallvase in die Stub, eier schene, dicke Bicher stellt a dort uf. … Des Bichelche gheert net dorthin. Stellt die Phingstnägelcher ruhich in die Kich un des Bichelche do leet newedron“, schreibt Franz Frombach. Er bildete sich nichts ein mit seinen Sprichelcher, aber seine Lyrik und Prosa bilden aus; sie vermitteln gefühl- und kunstvoll (soweit unser betuliches „Schwowisch“ das ermöglicht) Bilder aus dem Leben einer deutschen Gemeinschaft im Südosten Europas. Ausdrucksstarke Bilder: Menschen, Landschaften, Stimmungen, zwischenmenschliche Beziehungen (auch ethnische) und vor allem viele besinnliche und oft sehr fein pointierte Augenblicke unseres Gewesen-Seins im Banat.
Sich mitzuteilen ist gleichsam Künstlerbedürfnis wie auch -tugend. Franz Frombach hat sich seinen Landsleuten nie verschlossen. Er schrieb nicht nur über, sondern auch für die Banater Schwaben.
1979, fünf Jahre nach seiner Ankunft in der Bundesrepublik, vermerkte die BANATER POST anläßlich des ersten Landestrachtenfestes Saar: „Nach der Vorstellung der verschiedenen Trachtengruppen wurden die Volkstänze sowie Heimatlieder von der Familie Frombach / Jahrmarkt vorgetragen.“ Diese Information deutet auf ein familiäres Umfeld des nun im saarländischen Bexbach-Frankenholz beheimateten Franz Frombach hin, das seine künstlerischen Neigungen nicht nur zu würdigen, sondern vor allem auch zu unterstützen wußte. Besonders seiner Frau Eva kommt da ein menschlich überaus hoch einzuschätzendes Verdienst zu. Nichts harmonierte mit Franz Frombachs Drang nach Reim und Rhythmus besser als das hervorragende Akkordeonspiel seiner Frau und ihr gemeinsamer Gesang.
1996 bekam der Jahrmarkter Mundartautor den Ehrenbrief unserer Landsmannschaft. 14 Gedichte und Epigramme sowie zwei bemerkenswerte Essays (Es alt Gebetbuch, BANATER POST vom 20. März 1998, dürfte sogar der einzige banatschwäbische Text dieser literarischen Gattung sein) erschienen in den letzten Jahren in der BANATER POST. Seine Verse bereichern auch das 1984 erschienene Heimatbuch Jahrmarkt im Banat – Das Dorf rings um den "Großen Brunnen".
Franz Frombach
alias Gerwer Franz
Franz Frombach war bei Großveranstaltungen unserer Landsmannschaft mit seinen Worten ebenso präsent wie in kleinen, besinnlichen oder auch geselligen Runden. Sein Name taucht in beiden Berichten über die zwei bisherigen Treffen der Banater Mundartautoren (1994 und 1997) auf.
Frombachs Lebensweg war gerade wie die Jahrmarkter Neue Gasse, durch die er jahrein, jahraus morgens zum Bahnhof eilte und abends wieder heimkehrte. Dazwischen lagen unzählige Arbeitstage in der Temeswarer Chemiefabrik Detergenți. Um diesen Daseinskern, der eine gesunde Familienexistenz (Gattin und zwei Töchter) sicherte, reifte bereits in den Jugendjahren eine pralle, mit schöpferischen Säften gefüllte Frucht. 
Wir treffen Franz Frombach in der im ganzen Banat bekannten Jahrmarkter Großfeldhandballmannschaft an und begegnen ihm später in den Chören der zwei ortseigenen Musikkapellen. Mens sana in corpore sano. In Franz Frombachs stets aktivem Körper wohnte ein gesunder Geist.
In seinem Geburtsjahr steht zweimal die Zahl 9, in seinem Sterbetag erscheint sie viermal. Sie ist die letzte in der Reihe der Einer, ohne uns allerdings wohlwollend klare Einblicke in die Reihe der folgenden Zehnerkette zu gewähren; eine Zahl, die uns die Zeitenwende ankündigt. In Franz Frombachs Abschiedstag hat sie einen wahren Reigen veranstaltet, einen Totenreigen um die sterbende 1, aber auch um „Unser Schwowisch – For uns is se wie die Sunn“, wie der Dichter aus Liebe zu seiner und unserer Mundart in den Phingstnägelcher aus ‘m Banat in den edelsten Liebestönen schwelgt, um dann vorahnungsvoll zu verkünden, daß sie „wärmt, wann se am Himmel steht, / A wann mer des erscht ingsiehn hun, / Jetz, wu se schun bal unnergeht.“ 
Für uns Noch-Träger dieser Mundart werden Franz Frombachs „Phingstnägelcher“ (Flieder, der an seinem Sterbetag schon wieder blühte) noch lange ihren Frühlingsduft verbreiten und uns – hoffentlich – vor der Schmach des Vergessens unserer eigenen „Mottersproch“ bewahren.
Anton Potche

aus BANATER POST, München, 20.Mai 1999


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