Dienstag, 8. März 2022

Aus dem Nähkästchen geplaudert

 Lockere, anspruchsvolle Plaudereien mit einem Schuß Nostalgie

Hans Matthias Just: Von Las Vegas nach las Begas – Geschichten rund um den Rudolfsplatz. Mirton Verlag, Temeswar, 1996. 343 Seiten. ISBN 973-578-188-3.
Dieses 1996 im Temeswarer Mirton Verlag erschienene Buch von Hans Matthias Just ist erst mal schwer einzuordnen. Es will zu keinem der belletristischen Genres so richtig passen. Was sich da auf 327 Buchseiten angesammelt hat, sind weder Essays, noch Erzählungen, noch Kommentare. Dabei sagt uns doch schon der Titel des Buches, was uns erwartet: Geschichten rund um den Rudolfsplatz. Also Geschichten; Vorfälle, eine Reihe von Begebenheiten wären das, lehrt uns das Deutsche Wörterbuch, wenn wir, wie angemerkt, zu dem Hinweis „Erzählung“ bewußt Abstand bewahren wollen. „Aus dem Nähkistchen geplaudert“ würde am besten zu diesen in der deutschen Umgangssprache Temeswars verfaßten Texte passen. Dabei geht der Autor mit dem Jargon so freizügig um, daß er sich knapp am Rande sprachlicher Dürftigkeit bewegt. Einfach lockere, anspruchslose Plaudereien wurden hier mit Hilfe der Druckerschwärze verewigt.
In Anlehnung an Gregor von Rezzori könnte man sagen, wir haben es mit einer maghrebinischen Darstellungsweise der Temeswarer Verhältnisse nach 1989 zu tun. Das Buch vermittelt vor allem Atmosphäre, für Nichteingeweihte durchaus erkundungswertes Neuland und für Temeswarer einen gesunden Schuß Nostalgie. Von den 59 Geschichten lassen sich einige leicht und fließend lesen, während andere unter einem etwas langen Atem im Aufbau leiden. Man wird oft den Eindruck nicht los, daß der Autor seine Leser um jeden Preis zum Lachen oder Schmunzeln bringen will, und gerade da leidet dann die angestrebte Authentizität der zu vermittelnden Stimmung.
DHans Matthias Just nicht nur schreiben kann, sondern auch ganz hervorragend fotografiert, beweisen 18 Fotos, die den Wert dieses Buches erheblich steigern. Lichtbilder wie Das Gesicht des Alterns und Der Lebensfaden könnten in jeder Galerie vor den kritischen Blicken des Kunstpublikums bestehen.
Der 1931 in Temeswar geborene Hans Matthias Just weist sich als guter Kenner des Temeswarer Stadtmilieus aus, der in diesem Buch sowohl seine journalistischen als auch seine kunstfotografischen Stärken einsetzt. Schade, dass dieser Mann so lange schweigen mußte. 1970 wurde er von den rumänischen Behörden mit einem Veröffentlichungsverbot beglückt.
Mark Jahr

aus DER DONAUSCHWABE, Aalen, 8. November 1998

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