Donnerstag, 2. September 2021

Eine glänzende Broschüre zu einem glanzvollen Ereignis

Horst Fassel (Redaktion): Die Dreifaltigkeits- oder Pestsäule in Temeswar; Landsmannschaft der Banater Schwaben, München, 1996 
Golden leuchtet der Strahlenkranz über der Heiligen Dreifaltigkeit unter einem freundlichen Himmelblau. Das ist nicht mehr und nicht weniger als die in Worte gefaßte Wiedergabe des Titelbildes, das die Broschüre Die Dreifaltigkeits- oder Pestsäule in Temeswar ziert. Nun hängt die Wirkung von Worten aber sehr stark von der Phantasie des jeweiligen Lesers ab, und darum wird es auch hier schwer sein, dem qualitativ hohen Wert dieser und anderer Fotografien mit Hilfe der Schrift gerecht zu werden. Daß für die hervorragenden Bildproduktionen, die diese Veröffentlichung der Landsmannschaft der Banater Schwaben (München 1996) bereichern, Walther Konschitzky zeichnet, wird Leser der Banater Post wohl kaum noch überraschen.
Die 31 Glanzseiten umfassende Broschüre enthält neben Grußworten von Jakob Laub, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben, und Sebastian Kräuter, Bischof der Katholischen Diözese Temeswar, Texte von Horst Fassel, Franz Liebhard, Hans Diplich, Peter-Dietmar Leber und Aurel Turcuș. All diese Stationen einer Wiederentdeckung wurden anläßlich der Restaurierung der auf dem Temeswarer Domplatz beheimateten Dreifaltigkeits- oder Pestsäule (Wiedereinweihung am 9. April 1995) von Dr. Horst Fassel für dieses Heft redigiert.
Die Noch-Existenz dieses Denkmals vermittelt anschaulich die in die Zukunft wirkende Kraft geschichtlicher Epochen. Das Reich der Habsburger ist nicht nur verstaubtes Archivmaterial oder für action-süchtige Schüler quälender Geschichtslernstoff, sondern durch seine architektonischen und bildhauerischen Leistungen anschauens- und bewundernswertes Zeugnis epochenüberlebender Präsenz. Es bedarf keiner Irreversibilitätsnegation, um vermeintlich tote Zeiten wiederzubeleben. In Stein gemeißelte Geschichte kann uns oft, wenn auch nur für Augenblicke, das Gefühl vermitteln, daß unser bewußt empfundenes Sein durchaus über die zwischen Geburt und Tod liegende Zeitspanne – durch die „Sich-Vorstellung“ geschichtlich zwar weit zurückliegender, aber skulpturisch jetzt angedeuteter Ereignisse, von denen unser Werden beeinflußt wurde – hinausreichen kann. Natürlich bedarf es auch hier eines gewissen Vorstellungsvermögens und etwas guten Willens. Wer sich die Mühe des Hinschauens, Zuhörens, Nachfragens und wie in unserem Fall des Lesens macht, wird einen derartigen Sinnesanreiz bestimmt schätzen lernen.
Man braucht natürlich Mut und Opferbereitschaft, um solche Visionen wie die zur Revitalisierung der Dreifaltigkeitssäule Wirklichkeit werden zu lassen. Die Landsmannschaft der Banater Schwaben hat ihr Scherflein zur Restaurierung dieses Denkmals erbracht, und jeder Landsmann, der es heute in neuem Glanz erstrahlen sieht und dabei noch das in dieser Broschüre übermittelte Hintergrundwissen besitzt, der kann fühlen, daß er durch seine Schicksalsgemeinschaft Anteil an der Geschichte eines längst verblichenen Reiches hat.
Anton Potche

aus BANATER POST, München, 10. Juli 1998


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