Gespräch mit Ingolstadts
ältestem SPD-MitgliedFranz
Vinyarsky
A.P.: Herr Vinyarsky, der DONAUKURIER und das Ingolstädter SPD-Blatt haben im November vergangenen Jahres, anläßlich Ihres 90. Geburtstages, über Ihre langjährige SPD-Mitgliedschaft berichtet. Im SCHUTTER KURIER der hiesigen SPD waren Sie mit MdB Hans Büttner abgebildet.
FotoQuelle: SCHUTTER KURIER |
Vinyarsky: Ja, das war fast zu viel des Guten, als der Büttner gleich mit dem Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr zum Glückwünschen kam. Wissen Sie, ich war schon immer einer, der lieber im Hintergrund agierte.
A.P.: Wann und warum
sind Sie in die Sozialdemokratische Partei eingetreten?
Vinyarsky: Mein Vater war schon im vorigen Jahrhundert Sozialdemokrat. Als ich in Temeswar in die Schneiderlehre ging, politisierten die Gesellen eifrig drauflos und das interessierte mich ehrlich gesagt oft mehr als die Schneiderei. Auch mein Meister Peter Karl war ein überzeugter und aktiver Sozialdemokrat. Ich war schon als Lehrling in der Gewerkschaft und bin dann als 16-Jähriger in die SPD eingetreten. Die sozialdemokratische Bewegung im Banat war eher eine Angelegenheit der Deutschen und Ungarn. Das war auch in Siebenbürgen so. Die Sozialdemokraten hatten nach dem 1. Weltkrieg schon Kontakte zu der SPD in Deutschland. Wenn Sie von Jahrmarkt sind, fragen Sie doch mal Ihren HOG-Vorsitzenden Frombach. Der weiß noch von seinem Vater, einem Sozialdemokraten, daß in den 20er Jahren der Reichstagspräsident Paul Löbe in eurem Dorf war. Der war ein Sozialdemokrat, und ich kann mich noch an seinen Aufenthalt in Temeswar erinnern. Das könnte so um 1923 oder 1924 gewesen sein.
A.P.: Wie stand es um die politische Tätigkeit der Temeswarer Sozialdemokraten während des 2. Weltkriegs?
Vinyarsky: Passiv, die meisten haben sich passiv verhalten. Nur wenige Sozialdemokraten sind zu den Nationalsozialisten gegangen. Damals gingen Risse durch so manche deutsche Familie im Banat, auch durch meine. Unter meinen sieben Geschwistern gab es auch gegensätzliche ideologische Überzeugungen und auch dementsprechende Handlungen.
A.P.: Wie wurde die Sozialdemokratische Partei in die Kommunistische Partei einverleibt?
Vinyarsky: Na ja, ich war ja auch zwei Jahre in Rußland und habe mich nach 1947 nicht mehr politisch engagiert. Ich habe dann die Genossenschaft Îmbrăcămintea mitbegründet. Mit sieben Leuten haben wir angefangen, und später haben dann mehr als tausend Menschen dort gearbeitet. Ich war die ersten zwei Jahre Präsisdent. Dann haben „Freunde“ gegen mich intrigiert und ich mußte gehen. Weiter habe ich dann als Schneider für das russische Militär gearbeitet.
A.P.: Wann sind Sie in die Ingolstädter SPD eingetreten?
Vinyarsky: 1970 bin ich nach Ingolstadt gekommen. Irgendwann in den 70er Jahren hörte ich ein Streitgespräch zwischen einem evangelischen und einem katholischen Theologen hier in der Stadt, und beide waren sich am Schluß einig, daß es mit dem Glauben allein nicht getan ist. Der Mensch muß handeln, wenn er Gutes bewegen will. Das war für mich der Auslöser, um wieder in einer Partei tätig zu werden.
A.P.: Sie waren doch auch in der Landsmannschaft tätig.
Vinyarsky: Das ist ja noch nicht so lange her, 1973. Meine Frau Edith und ich waren in Landshut auf einem Ball, den ein Bekannter von uns für die Landsleute organisiert hatte. Weil es uns so gut gefallen hat, haben wir uns gedacht, so etwas müßte doch in Ingolstadt auch machbar sein. Unser Gastgeber hat uns den Tip gegeben, mit dem Kaufmann Hans Maltry darüber zu reden. Der wäre schon seit dem Krieg in Ingolstadt und kenne bestimmt viele Landsleute. Gesagt, getan. Der Maltry gab uns viele Adressen und ich lief mit Einladungen durch die Stadt. Zwei Tage vor dem Treffen in einem Gasthaus hat ein junger Mann angerufen, er wolle auch kommen, obwohl er keine Einladung bekommen habe. Ich sagte ihm natürlich, daß wir uns über jeden Landsmann freuen, und wie es halt im Leben so geht, wurde dieser Mann, übrigens ein SPD-ler, der erste Vorsitzende der Vereinigung der Banater Schwaben in Ingolstadt. Es war Richard Lamoly. Heute macht das der Hans Metzger , und der macht das ja gut. Übrigens, das will ich nicht vergessen, meine Frau war damals die erste Schriftführerin. So entstand der Verein und danach gabʼs viele Bälle.
A.P.: Haben Sie heute noch Verbindung zu den Sozialdemokraten in Temeswar?
Vinyarsky: Wir waren nach dem Ende der Diktatur öfter in Temeswar und haben mit Hilfe der dortigen Sozialdemokraten Spenden verteilt. Meine Frau und ich wurden bei diesen Hilfslieferungen von der Ingolstädter Arbeiterwohlfahrt tatkräftig unterstützt. Leider läßt meine angeschlagene Gesundheit solche Fahrten nicht mehr zu.
A.P.: Danke für das Gespräch.
Anton Potche
aus BANATER POST, München, 5. April 1998
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