Dienstag, 11. Februar 2020

Ein ideales Vieleck

Stefan Teppert legt den ersten Band einer umfangreichen Anthologie vor


Stefan Teppert (Hrsg.): Die Erinnerung bleibt – Donauschwäbische Literatur seit 1945 – Eine Anthologie, Band 1, A – D, Hartmann Verlag, Sersheim 1995; ISBN 3-925921-24-9; 68,-- DM; Erhältlich im Haus der Donauschwaben, Goldmühlstraße 30, 71065 Sindelfingen, Tel.: 07031/94695.
Der Herausgeber der Blumenlese Die Erinnerung bleibt entzieht dem Kritiker und dem kritischen Leser gleich Zur Einführung eins der wichtigsten Kriterien einer beurteilenden Betrachtung seines Werkes, nämlich das Qualitätskriterium, nach dem es sich so lustvoll über die Aufnahmeberechtigung des einen oder anderen Autors streiten läßt. „Um dem Urteil der Öffentlichkeit nicht vorzugreifen, haben wir uns bewußt in Zurückhaltung geübt bei der Begutachtung dichterischer Qualität. Deshalb ist diese Sammlung nicht als Anthologie im engeren Sinn der Auslese (Blütenlese) nur des Besten, Medienwirksamen, Anerkannten, Bestandsfähigen entworfen, sondern im weiteren Sinn einer Bestandsaufnahme der Entdeckungen“, heißt es auf Seite 14.
Liest man die Gedichte und Prosatexte der 52 Autoren, dann weiß man, daß hier ein bewundernswerter Idealist sich eine riesige Aufgabe gestellt hat, um uns – wahrscheinlich viel zu wenig -, geschichtsbewußten Vertriebenen, Flüchtlingen und Aussiedlern aus Südosteuropa verständlich zu machen, daß wir einem deutschen Volksstamm angehören, der eigentlich in seinem literarischen Schaffen – so dürftig dieses als Beitrag zur gesamtdeutschen Literatur auch sein mag – zu einer geistigen Einheit fand, die er auf politischer und gesellschaftlicher Ebene nicht einmal im Ansatz erreichen konnte.
Es muß einem, der sich an eine solche Arbeit herantraut, eine gewisse Keuschheit innewohnen, eine Unbefangenheit, der im Grunde nur ein Außenstehender habhaft sein kann. Andererseits darf er nicht der Sorglosigkeit oder gar der Gleichgültigkeit gegenüber seinem Projekt erliegen. Da offenbart sich schnell die Quadratur des Kreises. Bedenkt man aber, daß Stefan Teppert ein in Entre Rios / Brasilien geborener Donauschwabe mit in Freiburg, Wien und Tübingen absolvierten Philosophie-, Germanistik- und Geschichtsstudien ist, dann beginnen die Kreis- und Quadratkonturen ihre scharfe Begrenzung zu verlieren. Es bleibt ein geometrisch undefiniertes, also idealistisches Vieleck, in dem die Beweggründe für ein solches Unterfangen sich absolut frei bewegen können.
Stefan Teppert hat sich in ein großes Abenteuer gestürzt. Wir sollten dankbar sein, daß es solche Einzelkämpfer gibt, die jedwelche kleinkarierten Vorurteile über Bord werfen und ein Gesamtwerk solchen Ausmaßes konzipieren, auf das dann eventuelle spätere Anthologie-Herausgeber, die nach präzisen Ausleseverfahren arbeiten werden, zurückgreifen können, um sich erste Anregungen über den einen oder anderen Autor und Hinweise auf sein Werk zu nehmen. Neben den literarisch sehr guten, guten und weniger guten Inhalten dieses in Leinen gebundenen und mit einer ansprechenden Umschlagsgestaltung von Josef de Ponte versehenen Buches muß besonders der lexikographische Charakter dieser 669 Seiten erwähnt werden.
Uns Banater Schwaben darf schon beim ersten neugierigen Durchblättern warm ums Herz werden, kommen doch 27 der jeweils mit Photo, Kurzvita, Textbeispielen und Werkverzeichnis vorgestellten Autoren aus dem Banat oder haben zeitweise dort gewirkt. Störend empfindet der Leser leider die in einigen Texten zu häufigen Schreibfehler, besonders viele verschluckte Buchstaben.
Ansonsten kann man Stefan Teppert nur viel Durchhaltevermögen und Glück für die fünf noch ungeborenen Bände dieser Anthologie wünschen.
Anton Potche



aus BANATER POST, München, 10. Juli 1997


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