Dienstag, 6. August 2019

Musikalische Botschaft für wohltätige Zwecke

Wenn erfolgreiche Künstler und Sportler sich treffen, unterhalten sie sich naturgemäß über ihre Betätigungsfelder und die sich daraus ergebenden Erlebnisse. Manchmal können aber aus solchen Gesprächen erfreulicherweise auch Engagements für Menschen, die auf der Schattenseite des Lebens stehen, resultieren.
Vor zwei Jahren lernten sich zufällig der Dozent am Richard-Strauss-Konservatorium, Bernd Maltry – sein Vater, Hans Maltry, wurde in Jahrmarkt geboren und verbrachte dort seine Kindheit -, und der brasilianische Fußballstar Jorginho (Weltmeister 1994) kennen. Sie sprachen über Gott und die Welt, und dazu gehört nun mal auch die himmelschreiende Armut in Brasilien. Aus diesem ersten Gespräch ergaben sich weitere Kontakte, die zu einer Brasilientournee des Akkordeon-Landesjugendorchesters Baden-Württemberg mit Benefizkonzerten zugunsten der Straßenkinder in  Brasilien führte.
FotoQuelle: https://www.neusob.de/brasilienhilfe/aktuell.htm
Bernd Maltry, bundesweit als Gastdirigent von Akkordeonorchestern begehrt, lernte während der Planungszeit dieser Gastspielreise den seit 20 Jahren in Brasilien tätigen Missionar, Salesianerpater Hubert Leeb, kennen. Dieser Bekanntschaft war es dann zuzuschreiben, daß Maltry und seine 25 Musiker/innen – allesamt Musikstudenten und Preisträger von Musikwettbewerben – ihre Tournee (25. Juli bis 15. August 1996) nicht gleich in einer der Metropolen Rio de Janeiro, São Paulo oder Brasilia begannen, sondern daß sie ihr erstes Konzert am 27. Juli in Aracaju, der Hauptstadt des kleinsten und wohl auch ärmsten Bundesstaates Sergipe bestritten. Unweit dieser Stadt betreut Pater Leeb auf der 200 km² großen Dünenhalbinsel im Nordosten Brasiliens, Porto do Mato, das weltweit oft als Musterbeispiel für die Entwicklungsprojekte „Hilfe zur Selbsthilfe“ genannte sozial-pastorale Zentrum „Esperanca de Deus“.
Der geborene Österreicher Pater Hubert Leeb zitiert in einem Rundbrief der Hilfsorganisation „Brasilienhilfe P. Leeb e. V.“ vom September 1996 Bernd Maltry mit folgender Aussage: „Ich weiß durch meine vorherigen Brasilienaufenthalte, daß Musik für viele Menschen dieses Landes Hoffnung und Freude, aber auch Wehmut bedeutet“. Diesem Wissen entsprechend gestaltete Maltry auch das Repertoire für sein Orchester: eine Mischung aus deutscher Klassik (Schubert, Fischer), südosteuropäischer Melodik (Semjonow) und Klangbilder der Moderne mit Anlehnungen an südamerikanische Rhythmusempfindungen (Barber, Albéniz, Piazzola, Kalke, Cramer).
Die Kritiken der sehr gut besuchten Konzerte fielen zum Teil mit südländischem Überschwang aus. Anderson Ribeiro, ein in Sergipe bekannter Dichter, schrieb in einer Konzertbesprechung : „Diese europäischen >Götter< wissen wie niemand, ihrem Publikum eine erstklassige Vorstellung zu bieten und verdienen, wo immer sie sich vorstellen, rauschenden Beifall. Sie sind aus Deutschland und haben die Manie, eine >runde Sache< zu liefern.“
Aber auch eher sachbezogene, nüchtern niedergeschriebene Kritiken sind voll des Lobes für das Akkordeon-Orchester aus Baden-Württemberg und seinen Dirigenten. In der BRASIL-POST Nr. 2380, 30. August 1996, heißt es: „Nachdem wir uns durch die Schubert-Interpretationen schnell in die ungewohnte Klangwelt des Orchesters eingelebt hatten, bereiteten uns auch die folgenden Darbietungen Hörgenuß und Vergnügen. […] Dem ausgezeichneten Orchesterleiter B. Maltry, der das ganze Programm auswendig dirigierte, den jungen Künstlern aus Baden-Württemberg und den Veranstaltern ein herzliches Dankeschön.“
Die Reinerlöse solcher Benefizkonzerte sind freilich nur Tröpfchen auf einen heißen Stein. Aber stetiges Tropfen durchlöchert auch den härtesten Felsen. Bernd Maltry weiß um dieses Sprichwort und hat bereits eine weitere Tournee nach Brasilien ins Auge gefaßt. Im Juli dieses Jahres soll er als Gastdirigent mit dem Ersten Kölner Akkordeon-Orchester als musikalischer Botschafter europäischer und internationaler Kunst den Ozean wieder überqueren, um einen kleinen aber lebensnotwendigen Beitrag zu einer „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu leisten.

Anton Potche

aus BANATER POST, München, 5. März 1997

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen