Dienstag, 12. Juni 2018

Literaturpolitiker


Zum Artikel Beim Weg zur Ost-West-Einigung verliert der PEN Federn und Ansehen vom 27./28. Juli 1996:
Jetzt wird es aber langsam Zeit, dass einige Damen und Herren Schriftsteller in Deutschland sich auf das Wesentliche ihrer Spartenzugehörigkeit, nämlich das Schreiben von literarischen Werken, besinnen. Das trifft besonders auf jene zu, die sich durch ihre öffentlichkeitswirksamen Wortmeldungen und Rücktrittserklärungen aus dem West-PEN in den Kulturseiten der Zeitungen wohl gerne mal wiederfinden.
Wie schwer es war, in Ländern, in denen die Zensur fröhliche Urstände feierte, überhaupt zu veröffentlichen, müsste doch mittlerweile bekannt sein. Literaten wollen nun mal ihre Werke gedruckt sehen. Daß sie dabei auch ab und zu einem bestimmt nicht von allen Ost-PEN-Mitgliedern geliebten Staatssystem kleinere oder größere Zugeständnisse machten und sogar einer Stasimitarbeit verfielen, muß im Bereich der menschlichen Schwächen gesucht werden. Darum kann man doch nicht eine totale Verweigerung der Ost-West-Vereinigung des PEN proklamieren, die einer pauschalen und daher bestimmt einigen – selbst wenn es nur wenige wären – Ost-PEN-Mitgliedern ungerecht widerfahrenen Verurteilung gleichkommt.
Haben Herta Müller und Richard Wagner vergessen, dass sie für ihr literarisches Schaffen den Preis des Zentralkomitees (ZK) des Verbandes der Kommunistischen Jugend (VKJ) in Rumänien – Wagner 1973, Müller 1983 – entgegengenommen haben? Eine Ablehnung dieses Preises wäre doch eine heroische Tat gewesen. Damals freuten sie sich aber über ihre Erfolge, denn im Rachen des Ungeheuers verhält man sich anscheinend sehr menschlich. Daran sollten Herta Müller und Richard Wagner besonders jetzt denken, wenn sie in einem demokratischen Land Literaturpolitik betreiben, anstatt Literatur zu schreiben.
Anton Potche

aus DONAUKURIER, Ingolstadt, 2. August 1996

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