Die SPD hat offensichtlich ein Problem, das von Tag zu Tag
für die Öffentlichkeit deutlicher erkennbar wird. Das Problem dieser Partei der
kleinen Leute, Arbeiter und sozial Schwachen, wie sie sich gerne darstellt, ist
ihr Vorsitzender Oskar Lafontaine
selbst.
Seine rhetorisch gekonnt eingefädelte Machtergreifung im
letzten Herbst hatte den bitteren Beigeschmack eines politischen Handstreichs.
Die Euphorie der Genossen Delegierten auf dem Mannheimer Parteitag sprang, wie
wir heute wissen, nicht auf die Basis über. Die verhielt sich erst mal
abwartend; ebenso potentielle SPD-Wähler.
Letztere können ihre Zustimmung oder Ablehnung zu den
Beschlüssen eines Parteitages sowieso nur an Wahlterminen kundtun. Da tauchen
sie dann greifbar nahe auf, die neugewählten oder auch alten Parteispitzen. Mit
Wahlversprechen vollbeladen ziehen sie durch die deutschen Lande und finden ab
und zu auch mal ein Näpfchen. In das größte dieser mit Machtlust gefüllten
Näpfchen hat der SPD-Obere getreten. „Der hot ningetreht, daß’m de Dreck owrem
Kopp zammgspritzt is“, hieß es im Banat.
Daß die Schmutzkampagne gegen die Aussiedler gerade im
Ländle losgetreten wurde, ist ein Meisterstück politischer Instinktlosigkeit,
war doch anzunehmen, dass die in diesem Bundesland zahlenmäßig stark
vertretenen und gut integrierten Aussiedler ein ihnen so lange verwehrtes
demokratisches Wahlrecht nutzen werden. Nun ist diese Aussiedlerdiffamierung
beileibe nicht der einzige Grund für den Sturzflug der SPD bei den
Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein vom
24. März, aber unverkennbar ein wichtiger. Der Schwabe Dieter Spöri scheint die Widerlichkeit seines Versuchs, sozial
schwache Bevölkerungsschichten gegeneinander auszuspielen, bereits erkannt zu
haben und will sich von seinen SPD-Ämtern verabschieden.
Entwarnung wäre allerdings zu früh angebracht, denn quer
durch die Parteienlandschaft greifen noch immer viele, besonders jüngere Politiker
mangels schneller Alternativen zu sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten
zum bewährten Mittel der Problementsorgung auf den gekrümmten Rücken schwacher
Bürgergruppen. Leute wie Bernd Protzner
(CSU) können da noch rechtzeitig von ihren Parteichefs zurückgepfiffen und
belehrt werden.
Bei Oskar Lafontaine
ist das aber anders. Bei ihm scheint es sich in der Aussiedlerdebatte nicht um
Wahlkampfgelüste sondern um ein Weltanschauungsthema zu handeln, und das obwohl
die Aussiedler für Deutschland nur ein zeitlich begrenztes Problem darstellen.
Schon 1990 schrieb er in seinem Buch Deutsche
Wahrheiten – Die nationale und die soziale Frage: „Gerade an diesem Artikel
(116) des Grundgesetzes lässt sich ermessen , wie stark die deutsche Nation
noch immer von der Abstammung, von der ethnischen Zugehörigkeit her definiert
wird. Wer hingegen die Zugehörigkeit zu einer Nation konsequent nach den
politischen Kategorien einer aufgeklärten republikanischen Sichtweise bestimmt,
muß eine solche Orientierung an der Abstammung zurückweisen. Auch ist es nicht
einzusehen, warum einem Türken, der in der dritten Generation hier lebt und
deutsch spricht, die Einbürgerung versagt bleibt, einem Paragraphen-Deutschen
jedoch, dessen Muttersprache vielleicht noch nicht einmal Deutsch ist, dieses
Recht automatisch gewährt wird.“
Das sollten wir uns für den nächsten Urnengang schon mal
vormerken.
Anton Potche
aus BANATER POST, München, 5. Mai
1996
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