Annemarie Juhasz aus Temeswar im „MO“
Bei einer Kunstausstellung spielt auch das Ambiente eine
wichtige Rolle. In der Regel stellen zeitgenössische Künstler ihre Werke in
Galerien, Museumshallen, Foyers oder auch in Kundenräumen von Banken aus,
schlicht überall dort, wo eine der Kunstrezeption dienliche Atmosphäre der Ruhe
und Ernsthaftigkeit herrscht. Und trotzdem gibt es auch eine zweite, eher
unkonventionelle Art von Kunstrepräsentation. Als „Kunst in der Kneipe“ ist sie
besonders in den Großstädten nicht mehr aus heutigen Ausstellungsmodalitäten
wegzudenken.
Die Ingolstädter Altstadtkneipe „das MO“, zentral, mit
Münsterblick gelegen, hat sich schon lange dem Daseinssinn „Kunst-Musik-Lebensart“
verschrieben. Man setzt sich an den Tisch, bestellt sich einen Cappuccino und
lässt seine blicke durch die Runde schweifen. Die Wände sind immer mit Bildern
behangen. Zurzeit sind es Werke von Annemarie
Juhasz, geb. 1949 in Temeswar und jetzt in Ingolstadt beheimatet.
Als die experimentierfreudige und mutige – Selbstzweifel und Drang ans
Licht der Öffentlichkeit fanden ihre Kriegsschauplätze schon immer in
Künstlerseelen – Autodidaktin sich vor einem Jahr zum ersten Mal in die aktive
Kunstszene wagte, sprach die Ingolstädter Künstlerin Gerda Büttner Biernath von einer Frau, die schon in ihrer Temeswarer
Kindheit „die Gegenstandslosen, die Abstrakten, die Konstruktivisten, die
Konkreten“ verehrte. Wassilij Kandinskij
und Victor de Vasarély stehen als
geistige Paten.Zwei rote Punkte, 1995 |
Nun sitzt man da und beginnt sich in die 20 Bilder zu
vertiefen, regelrecht hineinzudenken, zu träumen. Was mögen sie wohl bedeuten?
Wo versteckt sich die wahre Botschaft der Künstlerin? Es sind doch nur
geometrische Figuren, farbige, streng abgegrenzt voneinander, dann aber wieder
zueinander strebend. Merkwürdig. Diese zwei roten Punkte in der gelben Allee,
umsäumt vom stark zwischen hell- und dunkelgrün kontrastierenden Kork. Sie
suggerieren einem Temeswarer vielleicht zwei sich suchende Liebende. Aber Rot,
mein Gott, ja Liebe, aber auch so viel Leid hat diese Farbe über die Menschheit
gebracht. Es ist am besten, man fragt erst gar nicht nach der Symbolik der
einzelnen in Acryl, Acryl + Öl, Acryl + Kork gemalten Bilder.
Jedes der Werke sagt wohl einem jeweils anderen Betrachter etwas
anderes. Sie regen alle zu Gedankenspielen über die Zukunft, aber auch zum
Zurückdenken an. Ja, und verharrt man dann zuletzt bei den „12 Elementen“ aus
Acryl (85x130), dann ist man spontan in die Sorglosigkeit glücklicher
Kinderjahre katapultiert. So viel Fröhlichkeit, kindliche Stimmigkeit,
Kindergartenatmosphäre.Ohne Titel, 1995 |
Der Cappuccino ist kalt. Die Bedienung freut sich über das
Trinkgeld. Sie hat es für einen Kunstgenuß bekommen. Die
Gemeinschaftsausstellung „Ohne Titel – Zwei rote Punkte“ von H. E. Gabriel (Maler, Graphiker,
Bühnenbildner, Journalist gewesener Leiter des firmengeschichtlichen Archivs
der Audi AG) und Annemarie Juhasz konnte
bis zum 22. April 1996 in der Kunstkneipe „das MO“ besichtigt werden.
Mark Jahr
aus DER DONAUSCHWABE, Aalen, 28.
April 1996
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