„Mir ging es mit den Egerländern nicht um Stimmungsmusik;
ich wollte eine ausgefeilte Blasmusik machen. Eine Musik, bei der man glaubt,
da spielen Streicher. Denn bei richtiger Blasmusik darf nichts knattern.“
Dieses Credo stammt vom erfolgreichsten Blasmusikdirigenten der Welt, Ernst Mosch, Gründer und Leiter der Original
Egerländer Musikanten. Es gibt sicherlich unzählige Musiker, die
Egerländer Blasmusik spielen, aber nur wenige , die den hohen Ansprüchen des
Meisters genügen. Ernst Mosch erklärt
das Erfolgsrezept seiner auch über den deutschen Sprachraum hinaus sehr
beliebten Egerländer Blasmusik nicht mit seinem eigenen musikalischen
Einfühlungsvermögen und seiner künstlerischen Kreativität, sondern mit einer
jahrhundertealten Musiktradition einer von der Geschichte oft unsanft
gebeutelten mitteleuropäischen Region. Sein Loblied auf die Blasmusik ist auch
eine Ehrenbezeugung an die verlorene Heimat: „So wie die Ungarn in ihrer
Puszta-Musik, die Wiener mit ihren Liedern unerreicht sind, so waren es meine
Landsleute in der Blasmusik.“ Diese sowohl im Präsens als auch in der
Vergangenheit formulierte Aussage enthält die ganze Tragik von Flucht und
Vertreibung. Die Puszta-Musikanten und die Wiener Liedermacher gibt es nach wie
vor und wahrscheinlich noch lange. Aber die Egerländer? Ernst Mosch ist wohl einer der wenigen,
die die Blasmusik, die ihnen von den Vätern im Egerland in die Wiege gelegt
wurde, noch hegen und pflegen. Viele seiner nach heutigen Maßstäben von
unvorstellbarem Idealismus geprägten Mitstreiter der ersten Stunde – zehn (10)
DM gab’s im Gründerjahr der Original Egerländer Musikanten
(1956) für eine Aufnahme vom Süddeutschen Rundfunk – haben ihre Instrumente längst
an den berühmten Nagel gehängt. Junge Musiker sind nachgerückt, und
erfreulicherweise kommen gleich vier von ihnen aus dem Banat.
Hans Kaszner
bekam den ersten Musikunterricht vom Vater, dem Jahrmarkter Kapellmeister Hans Kaszner sen. Nach dem Besuch des
Temeswarer Musiklyzeums Ion Vidu studierte er am Klausenburger Konservatorium Posaune. Seinen
beruflichen Werdegang begann er im Orchester der Temeswarer Staatsoper. Bei
unseren Landsleuten war Hans Kaszner
besonders als Sänger bekannt und beliebt. Mit seinem Kommilitone Josef Stritt aus Saderlach ließ er in
den ausklingenden siebziger Jahren so manche/n Banater Schwäbin/Schwabe für ein
paar selige Stunden die Alltagssorgen und die geistigen Belastungen der damals
schon allseits spürbaren Auswanderungsagonie vergessen. Der Journalist Balthasar Waitz schrieb am 14. Juni
1980 unter der Überschrift „Lieder, die Freude schenken“ in der NBZ: „Ein
Festival der rumäniendeutschen Volks- und Schlagersänger könnte ein sicherer
Publikumserfolg werden. Hier nur einige der bekanntesten Banater Sänger: Walter Berberich, die Geschwister Liese Lotte Merle, Hans Kaszner jun., die Geschwister Gertrude und Elfriede Focht
u. a.“ Bereits zwei Jahre später verließen Hans
Kaszner und sein Bruder Helmut
auf abenteuerliche Weise Rumänien. Die zwei jungen Musiker sahen im damals bis
zur Absurdität ideologisierten Kulturbetrieb Rumäniens keine persönlichen
Entfaltungsmöglichkeiten mehr. Der rasche Verfall aller deutschen Werte im
Banat sollte ihnen Recht geben. In Wiesbaden fand Hans Kaszner eine neue musikalische Heimat im Hessischen Polizeiorchester.
Umtriebig, wie Vollblutmusiker nun mal sind, versuchte er die Bühnenatmosphäre
seiner Banater Jahre wiederzubeleben. Das Schwabenecho entstand
schließlich 1987 aus dieser mit Nostalgie angehauchten künstlerischen Unruhe,
und wer dieses Orchester kennt, weiß, daß es höchsten musikalischen Maßstäben
entspricht. Im gleichen Jahr schafft Hans
Kaszner als erster Banater Schwabe den Sprung ins erfolgreichste
Blasorchester der Welt, die Original Egerländer Musikanten, wo
er – wie Ernst Mosch in der
Gründerzeit – Tenorhorn spielt.
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v.l.: Helmut Kassner, Hans Kaszner, Ernst Mosch, Franz Tröster
Foto: Privat
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Der musikalische Werdegang der Brüder Kaszner / Kassner ist
bis zu ihrer Flucht aus Rumänien fast identisch. Im November 1981 schrieb die
Tageszeitung NEUER WEG zum Galakonzert der „Pipatsch“-Kür in der Temeswarer
Olympiahalle: „Es gab da nicht nur das, was man ganz allgemein als ‚echte
Blasmusik‘ bezeichnet, es gab da auch Konzertstücke – Die Teufelszunge, eine Konzertpolka, die vom jungen Helmut Kassner
(damals noch Kaszner, A.d. Bloggers) hervorragend gespielt wurde - ...“ 1982 war Helmut Kassner Student am Gheorghe-Dima-Konservatorium
in Klausenburg. In der Bundesrepublik setzte er sein Trompetenstudium an der
Karlsruher Musikhochschule fort. Heute arbeitet er als freiberuflicher
„Engagement-Musiker“, wie unlängst eine Reutlinger Zeitung ihn einstufte, sehr
erfolgreich in vielen Orchestern Deutschlands. Verpflichtungen als Solotrompeter
beim Pfalztheater
in Kaiserslautern, in der Badischen Staatskapelle Karlsruhe
und in der Philharmonie Reutlingen gehören ebenso zu seinem künstlerischen
Schaffen wie verantwortliche Jugendausbildung in zwei Musikschulen und drei
Musikvereinen. Aber die Blasmusik, die kann er nicht lassen. Erfolgreiche
Blaskapellen besetzen ihr erstes Flügelhorn- oder Trompetenpult regelmäßig mit Helmut Kassner. Daß Ernst Mosch eines Tages nach einer
solchen Visitenkarte seine Fühler ausstreckte, hat Kenner der Szene nicht mehr
überrascht. Seit fünf Jahren ist Helmut
Kassner erster Flügelhornist der Original Egerländer Musikanten.
„Neuer Name am Musikfirmament – Franz Tröster“, betitelte
die in Bukarest erscheinende Zeitschrift VOLK UND KULTUR in ihrer Oktober-Ausgabe
1985 einen ausführlichen Bericht über einen Hoffnungsträger der Banater
Bläserschule. Die Kritik zu einem aufgeführten Trompetenkonzert von Georg Philipp Telemann war äußerst
positiv: „Franz Tröster setzte mit einer traumwandlerischen Sicherheit ein, sein
Ton war rein, klar, strahlend, die schwierigsten Passagen des Konzertes spielte
er mit der Selbstverständlichkeit eines routinierten Solisten, mit einer Leichtigkeit,
die angesichts der Jugend dieses Instrumentalisten verblüffend war.“ Auch für
den in Deutschbentschek geborenen Franz
Tröster führte der Weg zum Berufsmusiker über das Ion-Vidu-Lyzeum und des Gheorghe-Dima-Konservatorium.
Heute unterrichtet er Trompete an der Jugendmusikschule Pforzheim, nimmt
ein Engagement am Stuttgarter Musical Miss
Saigon wahr und frönt seinem Hobby, der Blasmusik, in vielen bekannten
Kapellen. Seit 1990 ist Franz Tröster
als Trompeter bei den Konzerten und Studioeinspielungen der Original
Egerländer Musikanten dabei.
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Oswald Windrich
Foto: https://www.die-egerlaender.de/
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Als vierter und jüngster im Bunde der Banater Musiker Ernst Moschs, die ihre Liebe zur
Blasmusik auf ihre Banater Abstammung zurückführen können, agiert der in
Jahrmarkt geborene Tubist Oswald
Windrich. Die ersten musikalischen Gehversuche absolvierte er in der Kaszner-Kapelle,
aber unter den Argusaugen seines als Militärmusiker aktiven Vaters. Der
Einstieg ins Musikstudium erfolgte dann – wen wunderts noch – übers Ion-Vidu-Lyzeum.
Auf der Staatlichen Hochschule für Musik Heidelberg-Mannheim
vervollkommnete er seine Kenntnisse, die ihm den Einstieg ins Lehramt
(Musiklehrer an der Musikschule Altensteig) und in den professionellen
Kulturbetrieb (Tubist im Theaterorchester Pforzheim)
ermöglichten. Bei unseren Landsleuten in Deutschland hat „Ossi“ sich besonders
als Moderator und Showman des Schwabenechos einen guten Namen
gemacht. Sein Weg zu Ernst Mosch
führte ebenso wie bei Franz Tröster
und den Kass(z)ner-Brüdern über
viele berühmte Blaskapellen, deren Scheiben regelmäßig im Handel anzutreffen
sind.
Anton Potche
aus BANATER POST, München, 11.
Dezember 1995
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