Herta
Müller sonnt sich im Rampenlicht der Literaturszene
Herta
Müller: Der Fuchs war damals schon der Jäger, Roman; Rowohlt Verlag, Reinbeck
1992, 236 S., 36 DM.
Es liegt bereits zwei Jahre zurück, daß Herta
Müllers Roman Der Fuchs war damals schon der Jäger im Rowohlt Verlag
erschienen ist. Die Kritik hat diesen Romansetzling eher verhalten aufgenommen.
Bis dahin kannte man eigentlich nur euphorische (bundesdeutsche) Rezensionen zu
Herta Müllers Erzählungen.
Wie sollte unsereins da die neuen Töne
aufnehmen? Vielleicht mit einem genüglichen : "Na also, hab' ich's nicht schon
immer gesagt?" Unschön, Polemik, Schadenfreude, würde ein Außenstehender sagen.
Verständnis könnte er aber dann doch aufbringen, wenn er mit folgender Aussage
Herta Müllers konfrontiert wird: "Ich wurde sehr lange gezwungen, das
Wort ernst zu nehmen. Sowohl das Wort der Öffentlichkeit als auch das Wort im
Privaten. Dann diese Situation, in einer Sprache zu schreiben, die nicht die
Landessprache ist; in einer Minderheit aufzuwachsen, mit der man nichts gemein
hat." (SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, Nr. 187, 14./15./16. August 1992).
Nun ist es aber eben diese Minderheit - wenn auch nur ihre
Schattenseiten - die Herta Müllers literarischen Durchbruch überhaupt
ermöglichte. Das scheinen jetzt auch bundesdeutsche Feuilletonisten erkannt
zu haben. Peter von Matt sieht das in der FRANKFURTER ALLGEMEINE
ZEITUNG (Nr. 227, 29. September 1992) so: "Wenn das rumäniendeutsche
Bauerndorf den Schauplatz abgibt, ist Herta Müllers gestalterische
Souveränität unanfechtbar. Da setzt sie die heikelsten Szenen mit sorgloser
Sicherheit. [...] Nun aber hat sie sich an einen
politischen Roman gemacht, der unter städtischen Intellektuellen spielt,
unter Frauen insbesondere, wie die Autorin eine ist, wach, gescheit und
illusionslos. Damit fällt der Blick in die Bauernkammern aus, und die
Vorgänge in den Bauernköpfen können nicht mehr in das Spannungsverhältnis
treten zum Intellekt der Autorin. Schreibt sie also anders? Sie schreibt
gleich. Das führt zu großen Erzählmomenten und zu bedenklichen Einbrüchen.
Einerseits gewinnt sie eine eigentümliche Sprache für den Alltag der
Unterdrückten, andererseits greift die symbolisierende Verwandlung aller
Dinge jetzt oft ins Leere. Da die Folie des archaischen Denkens fehlt,
verlieren viele Metaphern die genaue Funktion, werden schwammig und rutschen
ins Sentimentale ab."
Nun scheint es
fragwürdig, ob es überhaupt möglich ist, das Innenleben einer Minderheit zu
sezieren, ohne daran emotional beteiligt zu sein.
Dieser Titel enthält aber das
Stichwort, das auf eine gewisse Verwertbarkeit des gewählten Themas (Herta
Müller in der SZ Nr. 187: "Es ging mir darum, das Verhältnis zwischen
Sexualität und Macht zu zeigen.") hindeutet. Bevor dieses nämlich zum Roman
heranreifte, wurde es schon in einem Drehbuch - in einer Zusammenarbeit mit
Harry Merkle - verwertet. Als solches hat es dem rumänischen Regisseur
Stere Gulea hervorragend gedient (siehe DER DONAUSCHWABE, Nr. 13 von 29.
März 1992). Stere Gulea hat am 24. März 1994 für die Regie des Films
Vulpe vânător den Preis der rumänischen
Uniunea Cineaştilor (Union der Filmschaffenden)
bekommen. Dieser rumänische Oscar ist zweifellos auch eine indirekte Anerkennung
für die Leistung der Drehbuchautoren Herta Müller und Harry Merkle.
Die teilweise negativen Kritiken
für den Roman Der Fuchs war damals schon der Jäger haben dem Ansehen
Herta Müllers in den deutschen Literaturkreisen aber keinen Schaden
zugefügt. Im Gegenteil, man hat ihr erst kürzlich den Heinrich-von-Kleist-Preis
(25.000 DM) verliehen.
Ob negativ oder positiv, das
literarische und filmische Ereignis, hervorgerufen von einer trotz allem aus dem
Banat stammenden Schriftstellerin, hat Gemüter erregt. Nur die banatschwäbische
Kritik schaltete bisher auf stur und bediente sich der im kommunistischen
Rumänien üblichen Methode des Totschweigens unangenehmer Querdenker. Oder sollte
wirklich kein Deutscher mit Banater Wurzeln sich mit diesem Roman
auseinandergesetzt haben? Aber die Chance für eine konstruktive Kritik, aus
banatdeutscher Sicht bietet sich bei einer fleißigen Schriftstellerin, wie
Herta Müller nun mal eine ist, bestimmt bald wieder. Ihr nächster Roman soll
bereits in diesem Herbst erscheinen.
Mark
Jahr
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen