Der parlamentarische Alltag in Bukarest wird vom rumänischen Kampf der Rosen (Iliescu
- Roman) bestimmt. Beim Nationalkonvent der Front der Nationalen Rettung in
der letzten Märzwoche sind die Gegensätze der beiden Kontrahenten, eigentlich
Produkt der gleichen Zielsetzung - Kampf um die Macht -, in aller Öffentlichkeit
aufeinandergeprallt. Dabei wurden von drei eingebrachten Motionen die des
Roman-Flügels mit satten 64% zum Plattform-Programm der Front gewählt. Das ist
ein Synonym für ein theoretisches Ausscheiden des gegenwärtigen Präsidenten
Ion Iliescu aus dem Wettlauf um die Präsidentschaftskandidatur.
Der Hammer ließ nicht lange auf sich warten. Verlieren zu können, gehört nun mal
zur politischen Kultur. Weil diese aber in die politischen Auseinandersetzungen
der noch immer dunkelrot schillernden Front nicht eingekehrt ist, haben sich
prompt einige Senatoren aus der Parlamentsfraktion der Front der Nationalen
Rettung zurückgezogen und eine neue Fraktion gegründet, die den noch
angeschwolleneren Namen trägt: Grupul Parlamentar Frontul Salvării Naţionale 22
Decembrie (Parlamentsfraktion der Front der Nationalen Rettung 22. Dezember).
Auch in der Parlamentskammer haben sich einige alte Front-Abgeordnete
zurückgezogen und sind zu der neuen Gruppe, die Iliescu als
Präsidentschaftskandidat will, übergelaufen. Somit ist die Front der
Nationalen Rettung eigentlich auch als Partei auseinandergebrochen, was die
Opposition in ihrem Streben um die Macht beflügeln müßte.
Leider ist der Konjunktiv hier angebracht. Die Demokratische Konvention (rum.
CD) der Oppositionsparteien ist für die Parlaments- und Präsidentschaftswahl
noch nicht unbedingt gesichert. Es gibt Stimmen, besonders aus den Reihen der
National Liberalen Partei Radu Câmpeanus, die meinen, ein gemeinsames
Agieren wäre für die Parlaments- und Präsidentschaftswahl weniger effizient als
bei den erfolgreich bestandenen Kommunalwahlen. Die Banater scheinen auch in
dieser Diskussion eine Vorreiterrolle übernommen zu haben. Die Temeswarer
Filiale der Demokratischen Konvention hat bereits am 9. April bekanntgegeben,
daß ihre bisherige Struktur für die anstehenden Legislativ- und
Präsidentschaftswahlen beibehalten wird. Das heißt, die National-Liberalen
bleiben hier im Konvent. Man scheint erkannt zu haben, daß die von Skandal zu
Skandal schlitternde Front der Nationalen Rettung definitiv von den
Regierungssitzen verdrängt werden kann. Dazu muss man allerdings mit vereinten
Kräften vorgehen. Die Rumänen hatten nie mehr Grund als jetzt, sich in einer
politischen Hora die Hände zu reichen, um endlich das kommunistische Gedankengut
aus ihrer Gesellschaft zu verdrängen.
Mark Jahr
aus DER
DONAUSCHWABE, Aalen,
24. Mai 1992
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