Das Buch ist
neu, aber nicht die Geschichte, die es beinhaltet. "Ärger wie die Hund'" ist
bereits vor 20 Jahren in Rumänien erschienen. Jetzt liegt die Erzählung von
Franz Heinz als Ausgabe der Rimbaud-Verlagsgesellschaft vor.
Auch der
Melcher Pitt ist nicht aktuell. Es gibt ihn schon lange nicht mehr, den Helden
dieser Erzählung. Er wurde aber Geschichte und hat seine Zeit überlebt. Der
Knecht hat das Leben dort unten, am Ende der Monarchie, wo die Grenzen zwischen
den Nationen mal fließend, mal messerscharf waren, nicht nur mitgeprägt. Er hat
es auch mitgestaltet, oft unbewußt überhaupt ermöglicht.
Dabei
hatte der Melcher Pitt, wie fast alle seinesgleichen, so wenig vom eigenen
Leben. Für andere zu existieren, wird zum Trauma, wenn dieser Zustand die
Bewußtseinsgrenze des Individuums erreicht. Melcher erlebte den Schock
dieser Erkenntnis, als er, wie ein Hund im Schnee liegend, die Flinte seines
Herrn auf sich gerichtet spürte. Wer mag es heute, nach so vielen
politischen und sozialen Beben, sagen können, ob dieser Knecht ein Einzel-
oder ein Allgemeinfall war? Als Modell der Ärmsten gibt er eine literarisch
hervorragend konturierte Figur ab. Sein scharfer Wahrnehmungs- und
Urteilssinn stellt ihn in die Reihe der großen Volkshelden der deutschen
Literatur. Bloß fehlt ihm die Kraft zum Kampf. Sein Aufbäumen wendet sich
nicht gegen die Obrigkeit. Der Melcher Pitt versenkt seine Wut in die
Kubiklöcher der Maroschebene. Er setzt durch sein Handeln keine Volksmassen
in Bewegung und bringt keine Fürsten zum Zittern, wie Schillers Tell oder
Kleists Kohlhaas. Trotzdem findet auch der gedemütigte Knecht den Schlüssel
zur Vergeltung. Diese wiederum birgt keine Rachetat in sich, sondern begnügt
sich mit bloßer Verachtung.
Dann schließt
man das Buch und liest auf dem Rückumschlag: "Franz Heinz wurde 1929 in
Perjamosch, Banat, geboren." Instinktiv folgt die Subtraktion und der, eine
gewisse Erwartung beinhaltende, Gedanke, daß viele Autoren nach ihrem 60.
Lebensjahr Meisterwerke der Literatur geschaffen haben.
Anton
Potche
aus BANATER POST, München,
20. April 1992
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