Wir haben uns in den
letzten Jahren an diese Art der Botschaften und Mahnungen gewöhnt. Das
Medienzeitalter hat den Menschen aus seiner geographischen Enge in das
Weltgeschehen katapultiert. Besonders in der Advents- und Weihnachtszeit ist der
Bürger des christlichen Abendlandes für die Mißgeschicke unserer Erde
sensibilisiert. Unsere Weihnachtsfreuden werden von unserem Wissen über
anderwärtiges Leid getrübt. Man durfte sich auch im letzten Dezember die Frage
stellen: Welche Gräueltaten wird uns die Flimmerkiste an diesen Feiertagen
bescheren?
Neben dem
verurteilenswerten Kriegsgeschehen mit seinen vielen unschuldigen Opfern gab es
dann auch ein zwar voraussehbares, aber mit noch nicht absehbaren Folgen
behaftetes, politisches Erdbeben, das das Auseinanderbersten der Sowjetunion
besiegelt hat. Lag da nicht so etwas wie Melancholie über der
Heiligen-Abend-Stimmung, als die Nachrichtensprecher verkündeten, daß Michail
Sergejewitsch Gorbatschow Abschied von seinen engsten Mitarbeitern genommen
hat? Er habe Saft und Gebäck reichen lassen und ihnen Glück gewünscht.
Am 1. Weihnachtstag 1991 sprach Gorbatschow zu den Völkern
des Geschichte gewordenen Sowjetreiches: "Aufgrund der entstandenen
Situation durch die Bildung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten beende
ich meine Tätigkeit als Präsident der UdSSR. ... Zum letzten Mal spreche
ich zu Ihnen als Präsident. ... Ich wünsche Ihnen alles erdenklich
Gute."
Schlichte, einfache Worte, die eines der größten Ereignisse der
Geschichte beenden: das friedliche Abschaffen eines menschenunwürdigen
Gesellschaftssystems, des Kommunismus, in Europa und weiten Teilen
Asiens.
Natürlich hat Gorbatschow auch Fehler in seiner fast 7jährigen
Amtszeit gemacht. Er hat als Mensch agiert und war dementsprechend nicht
fehlerfrei. Das Resultat seiner Politik ist aber eine unverkennbare
Umstrukturierung der gesellschaftlichen Beziehungen. Jetzt kommt es
einzig und allein darauf an, was die neuen Machtinhaber
Ost-Südost-Europas und Asiens aus dem Werk Gorbatschows machen.
Was ihre Selbstständigkeitsbestrebungen angeht, haben sie ihren
Lehrmeister in Demokratie bereits übertroffen.
Es wäre schön, wenn Worte wie
Kroatien, Georgien, Seuchen, Hunger, Armut, Flucht, Asyl, Aussiedler aus den
Predigten der folgenden Weihnachtszeiten verschwinden könnten. Nur so wird der
Sinn für das Wesentliche dieses "freudigen" Festes seine Geltung erlangen.
Anton Potche
aus BANATER POST, München,
20. Januar 1992
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