Donnerstag, 20. September 2012

Schließlich zählen auch unsere Stimmen


Wer eine Reise durch die "deutschen" Dörfer des Banats unternimmt, wird als erstes erkennen, daß die Bezeichnung "deutsch" für keine der besuchten Ortschaften mehr zutreffend ist. Man findet in keinem Dorf mehr eine noch intakte "deutsche" Lebensgemeinschaft vor. Wo sind denn die Menschen, die das Aussehen dieser Dörfer einst gestaltet haben und das Kulturleben prägten? Wo sind denn die rumäniendeutschen Aussiedlermassen, die den materiellen Wohlstand und den sozialen Frieden im Saarland und in der Bundesrepublik gefährden? Sie sind vom Winde der Geschichte verweht; und zwar dorthin wo sie den geschichtlichen Ereignissen dieses Jahrhunderts gemäß hingehören: zurück zum eigenen Volk.
Wem gelten dann die immer wieder  vorgebrachten Durchhalteparolen, daß man alles unternehmen müsse, um das Bleiben der Rumäniendeutschen in ihrer angestammten Heimat zu ermöglichen? Die muten eher wie gutgemeinte Beschwichtigungsversuche an, um die von einigen Kollegen oder Genossen angeheizte Aussiedlerdiskussion nicht doch noch zum Wahlkampfthema ausarten zu lassen.
Sachliche, von politischer Weitsicht und Geschichtskenntnissen geprägte Aussagen von Politikern zum Aussiedlerthema allgemein und zu den Deutschen in Rumänien im besonderen haben Seltenheitswert. Es flößt einem doch Hochachtung ein, wenn man liest, daß Bayerns Sozialminister Gebhard Glück (CSU) in der heißesten Phase des bayerischen Wahlkampfes, in eben dem Haus, das seit Jahrzehnten für die Deutschen aus Rumänien  das Tor zur alten-neuen Heimat darstellt - die Durchgangsstelle für Aussiedler in Nürnberg - unverblümt zugibt, daß die Auswanderung der Deutschen aus Rumänien spätestens im nächsten Jahr beendet sein wird.
Als Kontrast darf man sich getrost einen, gegen ein Minderheitenphantom wetternden Oskar Lafontaine vorstellen. Da muß ein Kenner der Tatsachen sich doch unwillkürlich die Frage stellen, ob er sich bei einer Wahlveranstaltung oder einer Faschingsveranstaltung befindet.
Aber noch sind wir nicht in der entscheidenden Wahlkampfphase für die Bundestagswahl, bei der es keine Gürtellinie mehr gibt. Dürfen wir Aussiedler hoffen, daß wir zumindest in diesem Wahlkampf, wo so große Themen wie "Deutschland, einig Vaterland" und "ein in Frieden vereintes Europa" die politische Szene beherrschen, ungeschoren davonkommen?
Wir hätten die Jahrhunderte im ach so fernen Südosten Europas nicht überlebt, wären wir keine Lebensoptimisten gewesen. Blicken wir also mit gleicher Zuversicht in die Zukunft. Schließlich zählen ja auch unsere Stimmen!
Mark Jahr

aus DER DONAUSCHWABE, Aalen, 28. Oktober 1990

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