Zu
"Unter der Lupe" in "Der Donauschwabe" vom 19 August:
Der
Würfel ist gefallen. Die deutsch-polnische Grenze ist endlich endgültig. Es
gibt nach der Geburt dieses politischen Faktums (21. Juni 1990) weder neue
Nutznießer noch neue Verlierer. Was bleibt, ist der Schmerz der
Heimatvertriebenen der ersten Generation. Ihre Heimat ist als geographische
Variante verschwunden und mit ihrem Gleiten ins Reich der Geschichte wird wohl
der größte Widerspruch im Ringen um das Hoheitsrecht für Pommern und
Schlesien aus dem Bewußtsein verdrängt; insofern er überhaupt als solcher
wahrgenommen wurde.
In
der Charta der deutschen Heimatvertriebenen heißt es beschwörend: "Wir
Heimatvertriebenen verzichten auf Rache und Vergeltung. Dieser Entschluß ist
uns ernst und heilig im Gedenken an das unendliche Leid, welches im besonderen
das letzte Jahrzehnt über die Menschheit gebracht hat." Im selben Dokument
der Vergebung und Versöhnung heißt es aber auch unmißverständlich: "Den
Menschen von seiner Heimat trennen, bedeutet, ihn im Geiste töten. Wir haben
dieses Schicksal erlitten und erlebt. Daher fühlen wir uns berufen zu
verlangen, daß das Recht auf die Heimat als eines der von Gott geschenkten
Grundrechte der Menschheit anerkannt und verwirklicht wird." Ein Recht auf
Heimat beinhaltet natürlich auch Territoriumsansprüche, die sich wiederum als
kaum überwindbare Barriere eines Versöhnungsprozesses entpuppen müssen.
Die
Charta der Heimatvertriebenen wurde 40 Jahre alt. Mit jedem verstrichenen Jahr
verlor der in ihr angedeutete, aber nicht klar formulierte Territoriumsanspruch
ein Stückchen seiner Berechtigung. Man sucht heute mehr Versöhnung mit einer
Generation Polen, für die das Land östlich von Oder und Neiße
selbstverständliche Heimat, in der sie geboren wurden, ist, und weniger mit
einstigen, in die Jahre gekommenen Gegnern, die nach dem Krieg in einem neuen
(polnischen) Staatsgebiet eine eher fragwürdige Heimat fanden. Andererseits ist
die zweite und dritte Generation der Vertriebenen wohl kaum en masse dazu
bereit, ein neues Leben in der Heimat ihrer Väter und Großväter zu beginnen.
Durch diese Entwicklung hat sich der Territoriumsanspruch relativiert und der
Antagonismus Anspruch auf Heimat - Versöhnung mit den neuen Heimatbesitzern
wird entschärft. Um diese Einsicht zu erlangen, mußten nicht nur die
Vertriebenen einen langwierigen Umdenkprozess bewältigen. Alle Regierungen und
fast alle Parteien der Bundesrepublik mußten sich dauernd, oft schmerzlichen, Gewissensprüfungen unterziehen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen und
Verzichtserklärungen abgeben zu können.
Wie
schwer es ist, Heimat, selbst zum Zweck des immer Vorrang genießenden Friedens,
aufzugeben, klingt aus den Worten des Bundeskanzlers bei den Feierlichkeiten zum
40jährigen Jubiläum der Charta: "Die Vertreibung der Deutschen aus ihrer
angestammten Heimat war ein großes Unrecht. Es gab dafür keine Rechtfertigung,
weder moralisch noch rechtlich. Niemand kann von uns erwarten, daß wir
Jahrzehnte danach erklären, die Vertreibung sei rechtmäßig
gewesen." Selbst Herbert Czaja, der Präsident des Bundes der
Vertriebenen, ließ, trotz seines jahrzehntelangen politischen Engagements für
die Wiedererlangung der verlorenen Heimat, moderate Töne erklingen, die
Verständnis für die Politik Helmut Kohls signalisieren: "Sie
(Kohl) treiben die staatliche Vereinigung von zwei Teilen Deutschlands kräftig
vorwärts. Sie drängen zum Zueinanderrücken der Staaten in Europa und
genießen großes Ansehen im Ausland. Auch wenn wir gegen ein ostdeutsches
'Sonderopfer' für Deutschland angehen, wäre es falsch, dies nicht dankbar
anzuerkennen. Wir beharren jedoch, bei allem berechtigtem Drängen der
Mitteldeutschen, auf sorgfältigem Verhandeln des gesamtdeutschen Souveräns
über unsere ostdeutsche Zukunft. Wir achten dabei auch auf Ihre Zusagen, die
ostdeutschen Individual- und Gruppenrechte bei den bevorstehenden Verhandlungen
hart zu vertreten ..."
Daß
hier Herbert Czaja das Schicksal der in Polen verbliebenen Deutschen im Auge
hatte, ist klar zu erkennen. In diesem Problem ist eindeutig die polnische
Regierung gefordert. Das Minderheitenrecht der Deutschen muß endlich im Alltag
der Menschen erkennbar werden. Nur so kann die zukunftsorientierte Botschaft,
die die Charta der Versöhnung und des Friedens verkündet, ins nächste
Jahrtausend wirken.
Mark
Jahr
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