Die
Menschen im Saarland haben in diesem Jahrhundert in zwei Volksabstimmungen ihren
geschichtlich und menschlich berechtigten Willen zum Ausdruck gebracht, ihr
Schicksal mit dem des gesamten deutschen Volkes zu verschmelzen. 90,76 Prozent
der zur Wahl gegangenen Saarländer haben sich 1935 per Stimmzettel zur
Rückkehr ins Deutsche Reich entschieden. Zwanzig Jahre später votierten die
Menschen dieses nur 2569 Quadratkilometer großen, südlich des Hundsrück
gelegenen Ländchens für eine Wiedereingliederung in die Bundesrepublik
Deutschland.
In einer
Volksabstimmung (1955) lehnten 78 Prozent der Wahlbeteiligten das von Konrad
Adenauer und Pierre Mendès-France (1954/55 Ministerpräsident Frankreichs)
ausgehandelte Saarstatut, das einer Europäisierung des Saarlandes in der
Westeuropäischen Union gleichkam, ab. Zweimal im geschichtlich winzigen
Zeitraum eines halben Jahrhunderts wurden die Saarländer willkürlich aus der
deutschen Einheit ausgeschlossen und jedesmal hat ihr klares
Volkszugehörigkeitsbekenntnis ihnen den Weg zurück geebnet.
Weitere 45 Jahre
gingen ins Land. Die Menschen im Saarland haben mit aufgebaut und freuen sich
mit ihren deutschen Landsleuten über die größten wirtschaftlichen, sozialen
und kulturellen Errungenschaften in der Geschichte dieses Volkes. Und jetzt
verwehren sie ihren deutschen Brüdern und Schwestern aus dem fernen und nahen
Osten Europas die Rückkehr in das Land, das endlich Heimat für alle Deutschen
werden kann.
Zu diesem
schweren, aber doch zu pauschal klingenden Vorwurf könnte man leicht kommen,
würde man übersehen, daß unqualifizierte Äußerungen führender Politiker
bei weitem nicht die Meinung ihrer Mitbürger und auch Wähler darstellen
müssen. Es wird wohl kaum einem normalen Menschen verständlich sein, daß
gerade die Menschen im Saarland den Staatsvertrag zur Deutschen Einheit
ablehnen. Im Gegenteil: Ihr geschichtlicher Leidensweg legitimiert sie dazu, den
deutschen Einigungsprozeß und das Aussiedlerphänomen besser als jeder andere
Bürger dieses Landes zu verstehen.
Um so skandalöser
erscheinen vor diesem Hintergrund die abwertenden Äußerungen des
saarländischen Regierungschefs zur Aussiedlerproblematik und zur Deutschen
Einheit. Man kann es zwar als Ironie des Schicksals betrachten, daß gerade das
Saarland seine Zustimmung zum Staatsvertrag im Bundesrat verweigerte, man muß
sich aber auch nach dem Geschichtsbewußtsein der Abgeordneten, die ihre
Nein-Stimmen erhoben, fragen. Oder sind diese von den Selbstzwecktheorien eines Oskar
Lafontaine so eingenommen, daß sie nicht mehr fähig sind, sich eine eigene
Meinung zu bilden? Oder könnte ihnen vielleicht unter Lafontaines bewehrter
Führung sogar die, für eine Demokratie lebenswichtige, Zivilcourage abhanden
gekommen sein?
Fragen
über Fragen; Fragen zum Rückzug der Betroffenen aus der Politik wären hier in
bester Gesellschaft.
aus DER DONAUSCHWABE, Aalen, 29. Juli 1990
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