Viele Jahre lang wurde Ingolstadt nur im Zusammenhang mit
der Firma Audi erwähnt. Wer heute Stadt und Automarke in einem Atemzug
nennt, darf guten Gewissens „nur“ mit „auch“ ersetzen. Ingolstadt ist längst
aus dem Schatten Audis getreten und hat sich als moderne Großstadt des
Freistaates etabliert.
Die einst verschlafene Garnisonsstadt, in der Marieluise Fleißer (1901 bis 1974) die
Gestalten für ihre an Brecht
angelehnten Bühnenwerke traf und literarisch verewigte, erlebte nach dem Zeiten
Weltkrieg eine rasante Entwicklung. Noch im Jahre des Kriegsendes gründeten
ehemalige Führungskräfte der Auto Union AG, Chemnitz, in
Ingolstadt das Zentraldepot für Auto Union Ersatzteile GmbH. Der Aufbruch in
ein neues, friedliches, von Wirtschaftswundern und folgenden
Konjunkturschwankungen geprägtes Zeitalter der fast grenzenlosen Mobilität
hatte auch für die „Vier Ringe“ (Audi, Horch, DKW,
Wanderer)
begonnen.
Die Menschen im Raum Ingolstadt fanden Arbeit und Brot. Auch
die vielen Vertriebenen konnten ihr Fachwissen, gepaart mit einer aus
persönlichem Leid erworbenen sozialen Sensibilität, in die Produktionsprozesse
des sich zum Konsumgut entwickelnden Autos einbringen. Der schon fast legendäre
Audi-Betriebsratsvorsitzende Fritz Böhm
und auch sein Nachfolger Erhard Kuballa,
die die Interessen der Arbeitnehmer jahrzehntelang erfolgreich vertreten haben
und beide noch immer dem Ingolstädter Stadtrat angehören (SPD), sind Vertriebene.
Die damals argwöhnisch beäugten Fremden wähnten ihre einzige
Überlebenschance in einem wirtschaftlich und menschlich ausgebluteten
Deutschland im Zupacken. Risikobereitschaft und schonungsloser Einsatz führten
zu neuen Ufern. Firmennamen wie Möbel Wagner oder Mode
Maltry bürgen heute noch für den erfolgreichen Unternehmergeist der
Vertriebenengeneration. Ingolstadts Einwohnerzahl hatte sich schlagartig
vergrößert und die Kleinstadt – ca. 30.000 Einwohner bei Kriegsende – war aus
ihrem Dornröschenschlaf erwacht.
In den siebziger Jahren setzte der Zuzug vieler Aussiedler –
bis 1992 besonders aus Rumänien – ein. Audi wirkte wie ein Magnet auf die
in Metallberufen gut ausgebildeten Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen,
und die traditionellen Familienbande taten ein Übriges. Heute leben
schätzungsweise 10.000 Angehörige dieser Volksgruppen in Ingolstadt (110.000)
Einwohner).
Rein zahlenmäßig betrachtet, hat ihr Kommen Ingolstadt zur
Großstadt etabliert, was nicht nur mehr Stadträtinnen und –räte in Amt und
Würde gebracht hat, sondern auch den allgemeinen Betrachtungswert der Stadt für
Außenstehende anhob und nicht zuletzt das Interesse von potentiellen Investoren
schärfte.
Die Vereinigung der Banater Schwaben in
Ingolstadt e.V. leistet einen wesentlichen Beitrag zur Imagepflege
unserer Landsleute. Auch Persönlichkeiten aus dem örtlichen Kulturbetrieb wie Michael Bleiziffer (Theater) und Bernd Maltry (Musik) oder auch aus der
Wirtschaft wie etwa der aus Jahrmarkt stammende Unternehmer Franz Predoiu (Dentallabor), die kein
Hehl aus ihrer Abstammung machen, wenn sie darauf angesprochen werden, tragen
dazu bei, daß Banater Schwaben in Ingolstadt längst nicht mehr als Fremde
empfunden werden.
Zu diesen Integrationsmerkmalen einer Gemeinschaft gesellt sich
in schon logischer Folge auch das politische Engagement einiger ihrer
Mitglieder. Schon 1990 hatte die Ingolstädter SPD den damals 29jährigen, aus
Kowatschi stammenden Horst Kahles –
Beisitzer im Verein der Banater Schwaben
- auf ihrer Liste für den Stadtrat. Trotz eines Platzes in der zweiten
Listenhälfte bekam er 9647 Stimmen; und das zu einer Zeit, als hiesige
Republikaner auf schändlichste Art und Weise Stimmung gegen die Banater
Schwaben und Siebenbürger Sachsen machten.
Die Republikaner sind nach ihrem Höhenflug (1990 – 9,05%)
durch interne Querelen zwar in die Bedeutungslosigkeit abgesackt; die Gefahr
ist aber nicht gebannt, denn die von den Republikanern abgespaltenen
„Freiheitlichen“ sind eben jene Opportunisten, die vor sechs Jahren am unverschämtesten
über die Deutschen aus Rumänien schimpften. Diese Gruppierung hat zurzeit drei
(von 50) Sitze im Stadtrat und will natürlich auch in der nächsten
Legislaturperiode dabei sein.
Johann Metzger (l.) & Oberbürgermeister Peter Schnell
Foto: Helmut Graf
Quelle: BANATER POST
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Umso wichtiger ist es, daß wir Ingolstädter Banater Schwaben
und Siebenbürger Sachsen einen wortgewaltigen Fürsprecher im Stadtrat haben. Johann Metzger (41), Vorsitzender der Vereinigung
der Banater Schwaben in Ingolstadt e.V. und Vorsitzender des BdV
Ingolstadt sowie stellvertretender CSU-Kreisvorsitzender, ist dafür der
geeignete Mann. Er will am 10. März die Gelegenheit beim Schopf packen und
einen Sitz im Stadtrat erwerben. Die CSU hat ihm einen aussichtsreichen
Listenplatz zugeteilt.
Durch diese Kandidatur setzen die Banater Schwaben
stellvertretend für alle ortsansässigen Aussiedler den Heimatfindungsprozeß der
Vertriebenen nahtlos fort und tragen so wesentlich zur Bereicherung aller
Lebenszweige dieser in ungebrochenem Wachstum befindlichen Stadt mit
mittelalterlichem Flair, bundesweit einzigartigen Museen (Bayerisches
Armeemuseum, Deutsches Medizinhistorisches Museum), aber auch mit nur hier
vorzufindenden Festungsanlagen in zirkularem und polygonalem Stil, bei.
Der Wahlkampf läuft auf Hochtouren und treibt seltsame
Blüten. Politik, ein langweiliges Geschäft? Von wegen; man muß bloß hingucken.
Endlich wird in Ingolstadt nach 20 Jahren vergeblichem Hin und Her mit dem Bau
der dritten Donaubrücke begonnen, da wollen die Grünen das Vorhaben mit einem
Bürgerbegehren stoppen. Prompt startet die SPD ein neues Bürgerbegehren zum
Weiterbau der Brücke und am Samstagmorgen taucht der CSU-Bürgermeister mit
zahlreicher Parteigefolgschaft in der belebten Fußgängerzone auf, um sich in
die SPD-Liste einzutragen. Richtig skurril wird die Situation aber erst durch
die lang angestrebte und dann an der Brücke zerschellte Wahllistenverbindung
der Roten und der Grünen. Wer wohl der Nutznießer dieser Situation sein wird,
ist unschwer zu erkennen. Die Roten werden sich insgeheim schwarz ärgern,
während die Grünen die Sache sowieso nicht allzu ernst, dafür aber umso
menschlicher betrachten, wirbt ihr OB-Kandidat, der erfolgreiche Kabarettist Günter Grünwald doch mit dem frommen
Wunsch: „Viel Spaß beim Verkehr – aber nicht auf der Straße!“
Die Banater Schwaben in Ingolstadt können angesichts dieses
Wahlkampfwirrwarrs ganz cool bleiben. Sie haben ihren eigenen Kandidaten. Johann Metzger kandidiert auf Liste 1,
CSU, Platz 14. Wenn alle Wahlberechtigten Landsleute in Ingolstadt eine 3 vor
den Namen Johann Metzger setzen,
erweisen sie nicht nur ihrem engagierten Landsmann einen Dienst; sie bekennen
sich durch ihre Stimmabgabe für Metzger
zu ihren gemeinsamen Wurzeln – ohne deren bewusste Wahrnehmung man ewig einem
unruhigen Suchergeist erliegt – und legen einen Grundstein für die
Zukunftsgestaltung in dieser Stadt, in der sie gerne leben.
Anton Potche
aus BANATER POST, 20. Februar 1996
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