Dienstag, 11. November 2014

Donauschwaben sind dabei

Bekannte Schriftsteller in der Gutenberg-Stadt Mainz
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Sigfrid Gauch / Jürgen Kross (Hrsg.): Vom Verschwinden der Gegenwart - Mainzer Anthologie, Brandes & Apsel Verlag, 1992, ISBN 3-86099-424-7

Nimmt man eine Anthologie zur Hand, so schlägt man als erstes das Inhaltsverzeichnis auf und sucht nach berühmten oder bekannten Namen. Als nächstes steht dann die Suche nach den Titeln der im Literaturbetrieb bereits etablierten Verfasser an. Anders verhält es sich bei den dem jeweiligen Leser bekannten, aber der Allgemeinheit nicht oder noch nicht geläufigen Namen. Da wäre es doch interessanter, zuerst mal zu erfahren, ob der bekannte Name auch zu der vermuteten Person gehört. Also heißt es, das Buch schnell bei den biobibliographischen Hinweisen aufschlagen.
So erging es mir auch mit der Mainzer Anthologie "Vom Verschwinden der Gegenwart".  Namen wie Horst Bienek, Günter Kunert oder Sarah Kirsch sind allemal als Zugkräfte für eine Blumenlese mit Werken von 49 Autorinnen und Autoren geeignet. Erfreulicherweise waren da aber auch Namen zu finden, die mich zum Nachlesen auf den Seiten 252 und 254 veranlaßten. Da ist vermerkt: "Peter Grosz, 1947 in Jahrmarkt (Rumänien) geboren, lebt in Nieder-Olm; Gedichte: Am anderen Anfang; Prosa: Der Boxer; Der Gruselbaum" und "Olga Sedlar, 1947 im ungarischen Dorf Csantaver in Nordjugoslawien geboren, lebt in Mainz; Veröffentlichung: Putz oder stirb".
Dann liest man den Romanauszug "Als hätte da jemand" von Peter Grosz und ist im Nu in eine grauslich anmutende Welt versetzt. Die Erkenntnis, daß es doch kaum ein paar Järchen her ist, als auch unsere Toten noch im Elternhaus aufgebahrt waren, kommt einem erst, wenn etwas zeitliche Distanz zu dem Text gewachsen ist. Wer mit dem kleinen, unter dem Nußbaum vergessenen und hilflos mit dem Tod konfrontierten Christian fühlen kann, wird die Eile der Zeit natürlich nicht bereuen. Er spürt aber ganz bewußt, daß ihre Irreversibilität durch die Erinnerung außer Kraft gesetzt wird. Dieses Fragment zeugt im Leser eine Spannung, die ihn den vom Autor angekündigten Roman "Ende der Wallfahrt" herbeisehnen lässt.
Olga Sedlars Text "Im Namen des Volkes!" läßt schon durch den Titel aufhorchen. Was dann folgt, ist aber keine Abrechnung mit irgendeinem Regime, sondern eine Anklage der oft von Zynismus strotzenden Fernsehberichte über das Leiden und Sterben von Menschen.
Peter Grosz und Olga Sedlar sind Namen, die unseren einstigen Siedlungsraum im Kreis der weitgestreuten  Abstammungsgebiete (von Ostpreußen bis Frankreich), aus denen die heute in und um Mainz lebenden Literaten kommen, ehrenvoll vertreten.
Mark Jahr
aus DER DONAUSCHWABE, Aalen, 17. April 1994

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